5. Die Handwerker: der städtische Mittelstand

Die zweite große Gruppe innerhalb der Bürgerschaft bildeten die Handwerker. Sie lebten von den Aufträgen der weltlichen und geistlichen Stadtherren, der zahlreichen Klöster, der adligen Grundherren, der Bauern und vor allem der reichen Patrizier. Die Handwerker hatten, was sie verkauften, zuvor aus gekauften Rohstoffen in der eigenen Werkstatt nach den Regeln einer ganz besonderen, nur ihnen anvertrauten Kunst selber hergestellt. Sie machten mit ihre Leuten mancherorts mehr als die Hälfte der gesamten Einwohnerschaft. Die selbständigen Meister und deren Gesellen sind Kernstück und Hauptbestand des gesamten Mittelstandes. Ähnlich den Kaufleuten schlossen sich auch die Handwerker in Vereinigungen zusammen, den Zünften. Es sollten in erster Linie auf das religiöse und gesellige Leben ausgerichtete Gemeinschaften sein. Neue Aufgaben kamen hinzu: Der Stadtherr übertrug ihnen die Kontrolle über die Qualität der angefertigten Waren und die Höhe der Preise; die Zunftmitglieder sahen darin die Möglichkeit, sich gegen Wettbewerb von außen zu schützen und die handwerklichen Fertigkeiten zu steigern. Die Folge war, dass sich das Handwerk auf dem Lande und in der Stadt auseinanderentwickelte. In der Zunft fanden sich Handwerker eines Berufes zusammen, z. B in der Bäcker-, Metzger-, Leineweber- oder Gerberzunft. Sie wohnten jeweils in bestimmten Straßen und Gassen, wo auch das Zunfthaus stand, das vom wachsenden Wohlstand der Handwerker zeugte. Hier fanden frohe Feste, aber auch harte Debatten über Preise oder Löhne für die Gesellen statt, über den gemeinsamen Einkauf von Rohstoffen, über das Verbot auf Vorrat zu arbeiten, große Warenlager anzulegen und auf die Dauer die Preise zu drücken Man sprach auch über das Wohl und Wehe der Stadt über die Verpflichtung der Zünfte, den zugewiesenen Teil der Stadtmauer zu unterhalten und im Kriegsfall zu verteidigen. Nur Meister konnten Mitglied der Zünfte sein. Um sich keine unliebsamen Konkurrenten zu schaffen, wurde die Zahl der Zunftmitglieder bewusst kleingehalten. Die Zünfte regelten auch die Ausbildung der Lehrlinge und die Dauer der Lehrzeit, die meist vier Jahre währte. Der Lehrling wohnte - wie der Geselle auch - in der Familie des Meisters. Ein sauber angefertigtes Gesellenstück, zur Prüfung vorgelegt, beendete die Lehrzeit. Vor der versammelten Zunft sprach der Zunftmeister ihn "frei". Desgleichen wachten die Handwerkszünfte selbst über die Qualität der Erzeugnisse, wie auch eine Hersfelder Urkunde aus dem Jahre 1371 berichtet. „.......Wir haben erreicht, dass der Rat und die Schöffen zu Hersfeld alle Jahr zwei (Meister) wählen sollen aus den Metzgern, die das Fleisch anschauen, zwei aus den Bäckern, die das Brot anschauen, zwei aus den Leinewebern, welche die Leinwand anschauen, zwei aus den Lohgerbern, die das Leder anschauen, und zwei aus den Schuhmachern, welche die Schuhe anschauen. Und was da verbrochen wird in diesen Sachen, das soll man einem Herren büßen, wie das von alters herkommt. Und wenn wir die gewählt und ernannt haben, so sollen sie dem Stadtrat Treue geloben, dass sie das dem Schultheißen zu Hersfeld anzeigen wollen, dem es alleine zusteht, an eines Herren statt eine Buße festzusetzen. ....... („......Wir haben auch herebracht daz der Rad und dye Schepphin zu Hersfelde alle jare zwene sullen kysen uß den fleischhauwern dy daz fleisch besehin . zwene uß den beckern dy daz brot besehin . zwene uß den linwebern dy dy linwat besehin . zwene uß den lowern dy dass ledir besehin . zwene uß den schuchwirtin dy dy schu besehin . und was da gebruchlickeit (geschen) in dißin sachin daz sal man eyme Hren bußen als dass von aldir herkomen. Und wan wir dy gekorn und gesagt han, so sollin sy deme Rathe truwe gelobin daz sy daz deme schultheißen zu Hersfelde segen wullen . deme dy buße alleine gefallet an eines Hren stad. .....) Unter den Handwerkern hatten in fast allen Städten die Wollweber die Führung. Während natürlich in fast jeder Familie für den Eigenbedarf gewebt wurde, war in den Städten die Weberei ein besonders ausgebildetes Gewerbe geworden. In Hersfeld kam das besonders dadurch, dass sich die schon erwähnten aus Flandern zugewanderte Tuchweber angesiedelt hatten. Nach Hersfeld waren sie vermutlich zu Anfang des 13. Jahrhunderts gekommen. Es erscheint natürlich, dass die Weber mit der Entwicklung ihres Handwerks auch danach strebten, direkten Nutzen aus ihrer Arbeit zu ziehen, indem sie den Verkauf ihrer Tuche selbst übernehmen wollten. Dabei gerieten sie jedoch in Konflikt mit den schon erwähnten Gewandschneidern, den Kaufleuten also, die auf ihr altes Recht pochten, allein mit Tuchen handeln zu dürfen.




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