3. Die hessische Kirche und die Verbesserungspunkte
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Landgraf Moritz hatte den Ehrgeiz, sich auch als kirchlicher Reformator zu betätigen. Es handelt sich um den Reformversuch, den man mit dem Namen „Einführung der Verbesserungspunkte" bezeichnet hat. Er zeigt, wie in jenen Zeiten fürstliche Willkür auch auf dem religiös-kirchlichen Gebiet regierte und mit brutaler Macht Unterwerfung forderte. Es war die Zeit der unfruchtbaren dogmatischen Streitigkeiten zwischen den Lutherischen und den Calvinisten. Unmöglich können hier alle die unseligen Streitigkeiten mit der Masse der an sie sich anknüpfenden Nebenkämpfe vorgeführt werden. Betrachtet man aber den Bekenntnisstand der gesamthessischen Kirche vor der Einführung des sogenannten christlichen Verbesserungswerkes des Lndgrafen Moritz, so kann man sagen, daß das Bekenntnis gemäßigt lutherisch war. Hassencamp schreibt in seiner Hessischen Kirchengeschichte: „Die hessische Kirche war eine lutherische Kirche mit Melanchthonischer Versöhnlichkeit, und es hatte in ihr neben der Augsburgischen Confession nur die Wittenberger Vereinigungsformel ein Unbestrittenes Ansehen." (1) In einer neueren Untersuchung schreibt Theodor Griewank: „Zusammenfassend kan man sagen: Das Bekenntnis der gesamthessischen Kirche war noch um 1590 gemäßigt lutherisch, d.h. augsburgisch im vorkonfessionalistischen Sinne der Zeit des Schmalkaldener Bundes und ohne Ausschließung eines „reformierten" Sakramentsverständnisses. Die Theologie hatte sich im Oberhessen LudwigsIV., des Schwiegersohns Christophs von Württemberg, dem „ubiquistischen" Luthertum angeschlossen, während sie sich im melanchthonischen Niederhessen Wilhelms IV. Durch Ablehnung dieses entschiedenen Luthertums und Aufnahme von „Kryptocalvinisten" aus Kursachsen und anderen Gebieten (seit 1577) der des westdeutschen Reformiertentums näherte." (2) Eine schwer überschaubare und örtlich sehr verschiedene Mischung von Traditionalismus und biblischem Reformgeist kennzeichnete endlich auch das gottesdienstliche Leben, wie Landgraf Moritz noch zu seinem Leidwesen erfahren sollte. So war im inneren Niederhessen die Reformation nicht nur früher, sondern auch gründlicher durchgedrungen als etwa in der Werragegend, Oberhessen und Schmalkalden. Wie aus dem vorigen Kapitel hervorgeht, das die politische und kirchliche Zugehörigkeit des Stiftes Hersfeld zu Hessen schildert, dürfte dieser Bekenntnisstand auch für die Kirchen des Stiftes Hersfeld zutreffen.
Die Motive, die Landgraf Moritz „den Gelehrten" bewogen, sein christliches Verbesserungswerk in Angriff zu nehmen, waren vielfacher Art. Einmal war es wohl sein Glaube an die Notwendigkeit, Kirchenlehre und Gottesdienst nach dem Buchstaben der Biebel zu formen, und andererseits war es seine entschiedene Abneigung gegen das dumpfe, mystisch-spekulative Luthertum und die innere Zugehörigkeit zur klaren Welt des westeuropäischen Calvinismus, in dessen Geist er bereits erzogen war. Als er dann in zweiter Ehe 1603 Juliane von Nassau-Siegen geheiratet hatte, nahm er den ihm schon lange nahestehenden reformierten Glauben an, zu dem sich auch seine Frau bekannte. Ein weiteres Motiv mag seine pädagogische Leidenschaft gewesen sein, der Trieb zu belehren, und endlich ein starkes Bewußtsein seiner von Gott empfangenen bischöflichen Gewalt. Das alles veranlaßte ihn, 1605 in seinem Lande die Verbesserungspunkte einzuführen und damit einen nicht nur hinsichtlich des religiösen Friedens, sondern auch der politischen Folgen wegen besonders verhängnisvollen Schritt zu tun. Nach der Übernahme der Administration durch Erbprinz Otto 1606 war für Hersfeld die Zeit gekommen, in der auch hier die Verbesserungspunkte zur Geltung gebracht werden sollten. Was nun die drei Verbesserungspunkte selbst betrifft, so brachte der erste Punkt, „Daß die gefährlichen und unerbaulichen Disputationes und Streit von der Person Christi eingezogen, und von der Allenthalbenheit Christi ...... in concreto, als `Christus ist allenthalben´, und nicht in abstracto, als `die Menschheit Christi ist allenthalben´ solle gelehrt werden". (3) Der zweite Punkt brachte, „daß die zehn Gebote Gottes, wie sie der Herr selbst geredet, mit seinen eigenen Fingern auf die steinernen Tafeln und Moses in der Bibel geschrieben, gelehret, auch die vom Papsttum an etlichen Orten überbliebenen Bilder sollen abgetan werden". (4) Der dritte Punkt brachte, „daß in der Administration ...... des hlg. Abendmals das gesegnete Brot nach der Einsetzung des Herrn (gemein Speisbrot sein und ) gebrochen werden soll."(5) Da diese Verbesserungpunkte das lutherische Bekenntnis offensichtlich im calvinistischen Sinne reformierten, konnte Landgraf Moritz sie nur gegen starke Widerstände in seinem Lande durchführen. Dies galt besonders für das streng lutherische Oberhessen und Schmalkalden. (1) F.W. Hassencamp, Hess. Kirchengesch. 1.B. S.715 (2) Th. Griewank, Das „christliche Verbesserungswerk" des Landgrafen Moritz und seine ..... Bd. 4, 1953, S. 44 (3), (4) und (5) Auszug abgedruckt bei Griewank a.a.O., S. 52/53 |
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