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Begonnen als Unterrichtsprojekt an der Konrad-Duden-Schule Bad Hersfeld vom 21. bis 25. 06. 2004, seither ständig erweitert und angereichert mit historischen Fotos; Mitarbeiter am Projekt im Jahr 2004: Felix Apel, Dominik Beck, Markus Becker, Christoph Haas, Lisa Hebebrand, Eva Hendriks, Lukas Höptner, Michael Kaufmann, Ina Kräutler, Elena Krutsch, Lisa Lenz, Kevin Maas, Yvonne Makiola, Nico Melchert, Lars Mertelmeyer, Julia-Maria Moser, Katharina Moser, Michael Neusel, Olga Pfannenstiel, Eric Pilotto, Marielle Quentel, Marie Reichhardt, Marc-Tobias Sasse, Katharina Schiefke, Christina Scholz, Simon Seeliger, Sebastian Stutz, Sebastian Trapp, Stefanie Völker, Thomas Krilleke, Konrad Lipphardt.
Stadtplan aus ca. 1750
Historische Straßennamen in Bad Hersfeld:
Abteiweg, Abt-Michael-Straße, Alter Kirchweg, Am Frauenberg, Am Markt, Am Perfort, Am Rainchen, Am Treppchen, An der Obergeis, An der Untergeis, Antoniengasse, Badestube, Benno-Schilde-Straße, Breitenstraße, Brink, Brüdergasse, Burggasse, Dudenstraße, Eisfeld, Enge Gasse, Fiddelhof, Hainstraße, Hanfsack, Hinterer Steingraben, Hospitalgasse, Johannesstraße, Johannestor, Kaplangasse, Kettengäßchen, Kirchplatz, Klausstraße, Klaustor, Löhrgasse, Marktplatz, Mistegasse, Neumarkt, Obere Frauenstraße, Peterstor, Pfeifergasse, Ransen, Rennhöfchen, Rittergasse, Rosengasse, Rosmariengasse, Schlippental, Südtor, Uffhäuser Straße, Unter den Hütten, Untere Frauenstraße, Vlämenweg, Vorderer Steingraben, Wallengasse, Webergasse, Weinstraße
Straßen, die auf historisch bedeutsame Ereignisse hinweisen:
Am Heyrings, Gerwigstraße, Lullusstraße, Simon-Haune-Straße, Sternerstraße, Wigbertstraße, Wittastraße.
Linggplatz
Vorwort
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In den Straßennamen ist noch heute sichtbar, was jeweils vor Ort geschah, wie die Menschen früher dachten, lebten und arbeiteten. Wir beschränken uns deshalb weitestgehend auf den Bereich des Stadtkerns inerhalb des alten Stadtmauerrings, wo die Straßennamen von historischer Bedeutung sind. Die Straßen der Außenbezirke werden nur insoweit berücksichtigt, als ihre Namen historischen Ursprungs sind oder ihre Bedeutung nicht mehr ohne weiteres erkennbar ist. Die Straßennamen der verschiedenen eingemeindeten Ortsteile werden nicht berücksichtigt. Straßennamen, die sich selbst erklären, werden ebenfalls nicht aufgeführt. Sie finden sich vor allem in Neubaugebieten wie etwa auf dem Johannesberg, wo die Straßen nach Büschen und Bäumen benannt wurden.
In der Stadtordnung von 1568 werden viele der historischen Straßennamen genannt. So heißt es „Vonn den Gemeinen gassen“ unter Punkt 9 folgendes: „Zum Neundenn. So sollen Die Gemeine straßenn unnd scheinbarliche Orter Dieser Stadt Dieweil darauf großer Uncostenn gewendet wordenn unnd auch noch wirdet Sauber unnd Rein gehalten werdenn, Also Nemblich Die straße vom Claußthor ahn biß Zum Johannisthor, Die Breittenngaß Die Zwoh obern und undernn frawengassen, Die Spittelsgasse, Die gasse hinder dem Weyer (am Marktplatz, Anm. d. Verf.), sampt dem platz unnd straße biß ann unsers gnedigenn Fürstenn unnd herren Wohnunge zu allen seitten Die gasse hindern hütten Die gasse vom Rathause nach dem Newen Marckt Die hellwigs gasse (heute Kettengäßchen, Anm. d. Verf.) vonn bastian Reinen hauß In der breittengasse die straße vom pettersthor uber daß newe marckt biß zum Johansthor Die wallen und Webergassen, sampt andern mehr scheinbarlichen und geprauchlichen orttern, so zum theill albereits geplastert od. nachmals gepflastert werdenn sollenn, Also und dergestald daß Niemand Kein Holtz reisigk, Miste od. andere Unreynigkeit Darauff beidt frembder wanderrs Leuth unnd auch Darmit Die Lüffte destoweniger vergifftet werde Legen, Sondern Dieselbige Rein und sauber haltetenn sollen, Wilcher solches ubertrettenn würde soll Dasselbige nach gestaldt der Uberfahrunge verbüßenn, und das holtz, Reisigk unnd Miste so uff solchenn angezeigttenn straßen und pletzen befunden wirdet denn armen sichenn Leuthen gegebenn unnd heimgefuerth werden,“ (Louis Demme, Nachrichten und Urkunden zur Chronik von Hersfeld, Erster Band, Beilage 87, S. 293)
Was dabei besonders berührt - vielleicht geht es dem Leser dieses Beitrags ja auch so - , sind zwei Dinge: 1. Man hat auch damals schon - also schon vor über 450 Jahren (wir erinnern uns auch an die eingangs gezeigte Karte von 1750) - ebenfalls fast die gleichen Namen gebraucht, wie wir sie noch heute kennen. 2. Die Obrigkeit hatte bereits damals wie auch heute noch Umweltprobleme (vergifftete Lüffte) und Ärger mit Menschen - wie auch heute noch - , die ihren Unrat auf die Straße warfen: „reisigk, Miste od. andere Unreynigkeit“. Heute sind es Zigarettenstummel, Kaugummi, Papier, Flaschen, Getränkedosen u. ä.. Es hat sich also augenscheinlich nicht allzu viel geändert im Laufe der Jahrhunderte.
Die frühesten Straßen- bzw. Gassennamen sind Gemarkungsnamen. Sie sind erkennbar an Lokalpräpositionen wie `ìm´, àm´, `hinter´ , `unter´ u.s.w. und das Fehlen des Grundwortes `Gasse´ oder `Straße´. Zum Zweiten wurden Straßennnamen nach der Anlage und Befestigung der Stadt gebildet. Fernerhin finden wir Einflüsse der Klöster bei der Namensgebung. Eine sehr große Bedeutung bei der Namensgebung haben Handel und Gewerbe. Aber auch Personennamen fließen bei der Namensgebung ein. So hieß das Kettengäßchen in früheren Zeiten Hellwigsgasse. Die Kaplansgasse und die Wallengasse könnten auch Personennamen enthalten, wie noch zu zeigen sein wird.
Historische Straßennamen in Bad Hersfeld
Abteiweg: Er beginnt zwischen Eichhofstraße und Nachtigallenstraße und führt in den Stiftsbezirk hinein, also in die ehemalige Abtei.
Abteiweg
Abt-Michael-Straße: Michael Landgraf war Abt von 1556-1571. Durch die Gründung des Gymnasiums hat er seinen Namen für alle Zeiten mit dieser Anstalt verknüpft. Zum Sitze dieser lateinischen Schule bestimmte er das nach der Reformation frei gewordene Barfüßer-Kloster mit Zubehör. Zu ihrer Unterhaltung verbriefte er die Summe von 40.000 Fl von seinem Eigentum. Das Gymnasium hieß zuletzt "Alte Klosterschule". Heute befindet sich in den Gebäuden die "Konrad-Duden-Schule", eine Gesamtschule. Abt Michael starb schon im Jahre 1571. Nach ihm wurde die Abt -Michael-Straße benannt, die von der Brüdergasse zur Hainstraße führt. (Siehe auch Neumarkt)
Abt-Michael-Straße
Alter Kirchweg: Der alte Kirchenweg führt vom Rand der Innenstadt zur ehemaligen Kirche am Frauenberg.
Alter Kirchweg
Ev. Jugendbildungsstätte Bad Hersfeld, Alter Kirchweg: Da es den Frauen der Klosterhörigen und der Neusiedler bei dem Kloster nicht erlaubt war, das Gotteshaus der Mönche zu betreten, weil es innerhalb der klösterlichen Klausur lag, erbaute man um 800 n. Chr. ein Kirchlein auf einer Anhöhe oberhalb des Klosters. 850 n. Chr. wurde der Kirchenbau vollendet. " Das "Breviarium Lulli", das alte Hersfelder Güterverzeichnis, meldet aus der Zeit des Lullus (†786) "in eodem loco hubas XX", also noch 20 Zinshöfe von etwa 150 ha in Hersfeld neben dem eigentlichen Klosterbezirk mit seinem eigenen Wirtschaftsbetrieb. Heute wird in den wissenschaftlichen Bearbeitungen der Hersfelder Geschichte allgemein angenommen, daß diese 20 Hufen am Frauenberg lagen. Für die dort wohnenden Hörigen des Abtes und ihre Frauen (die ja nicht die große Klosterkirche betreten durften) ist dieses Kirchlein errichtet worden. Es war der Hl. Maria geweiht und gab dem Berg den Namen." (Dr. Elisabeth Ziegler, Bad Hersfelder Jahresheft 1972)
Jahrhunderte war hier ein Zentrum christlichen Lebens. Da die Siedlung, die neben dem Kloster erwachsen war, immer größer wurde und die kleine Kapelle nun nicht mehr genügte, baute man um 1100 eine größere Kirche. Die Siedlung erwuchs zur Stadt und deren Bürger wollten nun nicht mehr aus ihren Stadtmauern hinaus und auf den Frauenberg gehen, um den Gottesdienst zu besuchen. So bauten sie dann nach und nach ihre große Stadtkirche mit ihrem mächtigen Turm, der Zeuge ihres bürgerlichen Reichtums war. Die Kirche auf dem Frauenberg aber wurde später zu einer Klause für freiwillig dienende Frauen und Mädchen (Beginen), die sich ohne Ordensregel zum Dienst an Armen und Kranken zusammen fanden. Hauptsächlich wurden bedürftige alte Frauen betreut. Noch später werden die „Klausnerinnen" auf dem Frauenberg erwähnt, aber schon 1608 erscheint die Klause auf dem Kupferstich von Dillich als Ruine. Von dieser zweiten Kirche sind noch Reste des spätromanischen Ostchores vorhanden, die 1958 in den Bau einer neuen Kapelle einbezogen wurden, die der Jugendbildungsstätte der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck als Andachtsraum dient.
Ruinenreste der alten Kirche am Frauenberg
Die Ruinenreste der alten Kirche am Frauenberg wurden in den Kapellenneubau einbezogen
Am Markt:"Am Markt" wurde so genannt, weil die Straße um den Marktplatz herum führt. Die Häuser am Marktplatz, der früheren "Ebenheit", waren zunächst von Ministerialen und anderen Amtspersonen und nicht von Bürgern der Marktsiedlung (der späteren Stadt Hersfeld) bewohnt. Dazu zählen etwa die alte Münze der Reichsabtei Am Markt 29 (nach Mozer) oder die später umgestalteten Häuser des Kammerhofs (Vergl. Kulturdenkmäler in Hessen, Landkreis Hersfeld-Rotenburg III, Stadt Bad Hersfeld, herausgegeben vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Thomas Wiegand) (Siehe auch Marktplatz)
Marktplatz (früher Ebenheit)
Am Markt (Nordostecke)
Massivhäuser aus dem 13. Jhd., im Kern gotisch, nach Umbau gegen Ende des 16. Jhds. mit Renaissancegiebel an der Nordostseite des Marktes. (rechts die "Alte Münze")
Fachwerk-Rähmbau an der Nordwestseite des Marktplatzes.
Ehemalige Häuser des "Kammerhofs", links ehemaliges "Burgmannenhaus", in der Mitte ehemaliges Anwesen des Kanzlers Heinrich Lersner.
Diese südwestliche Seite hieß noch auf der Karte von 1847/49 „Hinter dem Weiher“. Auf dem heutigen Marktplatz befand sich nämlich hier der Löschteich, der vom „Wilden Wässerchen“ gespeist wurde. Im Jahre 1839 wurde er überwölbt.
Fachwerkhäuser mit dreifach gebogten Schmuckgiebeln.
Am Perfort: "Perforts" sind so genannte Wachttürme, die in Bad Hersfeld dem Verbindungsweg zwischen dem „Vorderen" und dem „Hinteren Lierloch" den Namen „Am Perfort" gegeben haben. In der "Ordnüng" vom 13. Juni 1588 heißt es: "Wie es uf beuelch (Befehl) unser G. F. Landgraf Wilhelms zu hessen sc. und Abbts zu Hersfeldt biß uf I. f. g. wider abschaffen alhier In I. f. g. stadt hersfeldt Diesen Itzigen geferlichen laufften (Zeitläufen) mit bestellung Der Tag und nachtwacht und sonsten gehalten werden soll. ....... Erstlich weil die Berffurten uf den Mauern zu Dem Ende gemacht worden, Das Darin arme getrewe Bürger Ire Wohnung haben konnen, Die Des nachts uf Den stadt Mauren ein ufsehen haben Mogen, So sollen Die Entzlene (einzelnen) weiber, so uf solcher Berffurten wohnen abgeschafft und Die selbige Manns Persohnen so Der stadt gelobt und geschworen seindt Ein gethan und Denselbig bervohlen werden, Des Nachts uf den Mauren mit allem Vleiß Achtung zu geben. ........" (Louis Demme, Nachrichten und Urkunden zur Chronik von Hersfeld, Erster Band, Beilage100, S. 327-328) Der Wachtturm nahe der heutigen Burggasse sicherte die Wasserversorgung der Stadt. Das "Wilde Wässerchen" führte an dieser Stelle unter der Stadtmauer in die Stadt hinein. So erfahren wir bei Louis Demme noch folgendes: "Wir Ludwig von Gottes gnaden bestettigter Abt des Stiffts Herssfeld, Thun kundt hieran ofentlich bekennende, daß uf unser gnädiges begeren die Ehrsamen und Vorsichtigen Unsere liebe und getreuen Burgermeister und Rath alhir zu Herßfeldt, uns ein wasserleytung, Aus ihrem von altershero gebrachten Wasserfluß, so in die Stadt geleitet, Oben in der waßergaßen nehist bey dem daselbst Vor gemeyner Stadt erbauten Perffort zu fassen, undt in Unsern Hoff und nach Unserer Notturfft ungefehr eines Daumen Dicke führen und leiten zu lassen unterthänig gewilligt und Vergünstigt; ..........." (Erster Band, Beilage 95, S. 316 "Anlage einer Wasserleitung vom Perfort nach dem Stifte. 1582.") Der Turm verfiel und so setzte man ihm ein Stockwerk aus Fachwerk auf. Heute kann man den restaurierten Turm für Übernachtungen mieten. Er gehört zum Stadthotel. Der Turm liegt zwischen Burggasse und Stadtmauer. Die heutige volkstümliche Namensform ist aus Mittelhochdeutsch „bergfrede" oder „bergfrid" entstanden. Sie wurde durch Assimilation zu „Berfert" und "Berffurt" und schließlich in „Perfort" umgewandelt. (Siehe auch Ransen und Uffhäuser Straße) (vergl.: wikipedia.org, "Liste von Straßen und Plätzen in Bad Hersfeld") So wird auch in einer Urkunde aus dem Jahre 1381 von “berffrede“ gesprochen. (siehe Demme I, a. a. O., Beilage 46, S. 196) In einer Urkunde aus dem Jahre 1588 spricht man dann schon von „Berffurten“. (siehe Demme I, a. a. O., Beilage 100, S. 327)
Stadthotel in der Straße Am Perfort mit Resten der Stadtmauer von der Leonhard-Müller-Anlage aus gesehen
Ehemaliger Wachtturm in der Straße Am Perfort mit Resten der Stadtmauer von der Innenstadtseite aus gesehen
Ehemaliger Wachtturm in der Straße Am Perfort mit Resten der Stadtmauer von der Leonhard-Müller-Anlage aus gesehen
Am Rainchen: Das Rainchen ist eine Verbindungsgasse von der unteren Frauenstraße zur (ersten, ältesten) Stadtmauer hin, die am Hang der Hochfläche entlang führte, auf der Hersfeld erbaut wurde.
Am Rainchen
Am Treppchen: Um den Höhenunterschied zwischen dem Kirchplatz und dem Rathausvorplatz zu überwinden, legte man ein Treppchen an. Der vorbeiführende Straßenabschnitt wurde deshalb "Am Treppchen" genannt. Der Platz vor dem Rathaus war die „City“ des alten Hersfeld. Hier fand der Wochenmarkt rund um den Rathauskumpf statt. So lesen wir in der Stadtordnung von 1665 unter Punkt 16/3: „Soll den auswertigen Fischern erlaubt sein, ihre Fisch alle Tage herein zu bringen und zu verkauffen, doch asnderst nicht, als daß selbige an einem gewissen ort und zwar beym Rhathauß im Kumpf von morgen frühe bis umb 12 uhr des mittags feil haben, wer aber selbiger alsdan nicht los werden kann, der mag nach 12 uhren hausiren wo er will, und wenn einer darwieder handeln wird, soll er der Fisch verlustig und in 5 fl. Straff gefallen sein.“ Der Rathauskumpf war damals freilich noch nicht in der Form vorhanden, wie wir ihn heute kennen. Er erhielt erst 1830 durch Landbaumeister Leonhard Müller seine heutige Gestalt. Die Stadt ersetzte mit ihm einen viel kleineren Vorgänger. Das Standbild des Lullus setzte man erst 1866 auf den Rathauskumpf.
Rathaus mit Treppchen (rechts unter dem Torbogen)
An der linken oberen Ecke des Rathauses wurde die Nachbildung des von einem Armbrustschuß durchbohrten Helmes des Ritters Eberhard von Engern aufgehängt, der beim Versuch der Sternerritter, die Stadt zu erstürmen, von einem Hersfelder Bürger erschossen worden war. Das Original des Helmes ist im Heimatmuseum im Stiftsbezirk ausgestellt. Der Angriff der Sternerritter in der Nacht vom 27. auf den 28. April 1378 wurde abgewehrt und der besagte Helm als Siegestrophäe am Rathaus aufgehängt. (Siehe auch Sternerstraße)
Das Rathaus wurde urkundlich erstmals im Jahre 1371 erwähnt und liegt zwischen Kirchplatz und Weinstraße. Der ursprünglich gotische Bau wurde in den Jahren um 1607 bis 1612 auf vier Stockwerke erhöht und mit einer einheitlichen Fassade im Stile der Weserrenaissance versehen. (Vergl. Kulturdenkmäler in HessenLandkreis Hersfeld-Rotenburg III, Stadt Bad Hersfeld, herausgegeben vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Thomas Wiegand)
Rathausrückseite
LULLUS HERSFELDIAE CONDITOR (Lullus, der Gründer Hersfelds) auf dem Brunnen vor dem Rathaus
Straße "Am Treppchen"
An der Obergeis: In der Gegend des Rennhöfchens wurde ein Abzweig der Geis durch die Stadtmauer in die Stadt geleitet. Sein Wasser wurde von den Webern und den Lohgerbern benötigt. Dieser Geisarm wurde auch die "Fliegengeis" genannt. Sicherlich wimmelte es an diesem verschmutzten Gewässer auch von Fliegen, was wohl der Anlass für diese Namensgebung war. Im Bereich zwischen der heutigen Dudenstraße und der Breitenstraße verließ dieser Abzweig wieder die Stadt und mündete weit außerhalb der Stadt wieder in die Geis. Die innerhalb der Stadt am Geisarm liegenden Straßen nannte man "An der Obergeis" und "An der Untergeis". Heute ist dieser Geisarm nicht mehr zu sehen. Er ist zugeschüttet.
Badespaß in der Fliegengeis
An der Obergeis vor der Zuschüttung
An der Obergeis heute
An der Untergeis: Siehe "An der Obergeis". Zu beachten ist der leichte Anstieg zur Dudenstraße, die an dieser Stelle auf einer Brücke die „Fliegengeis“ überquerte.
An der Untergeis, Blick in Richtung Dudenstraße
Antoniengasse: Nach St. Antonius und St. Vitus, den Patronen der Marktbasilika (Stadtkirche), soll die Antoniengasse, eine Nebengasse der Breitenstraße zum Eisfeld, benannt sein. Sie erscheint in den Urkunden als Töngesgasse (1659) oder Döngesgasse (1697). Nach St. Vitus wurde der Weg benannt, der sich von dem Frauentor bis nach der Kupfermühle erstreckte. Bis vor kurzem hieß dieser Weg noch "Am Fezies". Heute hat er aber unbegreiflicherweise die nichtssagende Bezeichnung "Am Frauenberg" erhalten.
Antoniengasse, Blick in Richtung Breitenstraße
Badestube: Das Gewerbe der Bader hat auch seine Spuren in der Straßenbezeichnung „In der Badestube“ hinterlassen. Eine Badestube befand sich in dem Gebäude gegenüber dem früheren Gasthof „Zum Engel“, später „Cafe’ Hunstein“ (Anm. d. Verf.: heute S. Oliver) in der Breitenstraße. Auch auf dem Eisfeld sollen früher Badestuben gestanden haben. „Den Badern wurde vom Rath vorgeschrieben, daß sie daz schüler und sele badt uff die Donnerstag von Eilffen bis uff ein uhr halten sollen, wie von alters herkommen.“ Das Badegeld solle betragen: Für einen Mann 2 Frankfurter Pfennige, für ein Weib 1 dergl. Ein Knabe oder Mädchen „so zum Sakrament gegangen,“ sollten 1 Frankfurter Pfennig, wer unter 10 Jahren dagegen nur 1 Heller geben. Säugekinder sollten frei sein. Für einen „Kopf zu setzen“ solle die Gebühr 1 Löwenpfennig betragen; wer aber keinen Löwenpfennig habe, solle „umb borgens und vergessens willen“ 1 Frankfurter Pfennig bezahlen“ In der Stadtordnung von 1568 heißt es unter Punkt 8: „ …… So sollen dieselbige wilche d. allmechtige villeicht, oder Ire eigne dartzu gegebene ursach also Daheim sucht, sich hinfürtter d. gemeiner gesellschaft alsolangk Enthaltten, bis sie wieder zu Irer volkommen gesundheit Kommen, Darmit Das unglück Nicht erweittert unnd Die Reinen Darmit beschweist unnd verunreynigt werden." Früher soll eine allgemeine Badepflicht bestanden haben. Diese kann auf die Pestzeit, also in das 14.Jh., zurückgeführt werden.
Badestube, Blick von der Breitenstraße her
Bahnhof: Der ursprüngliche Zuweg zum Bahnhof war die Bahnhofstraße, die frontal auf das Bahnhofsgebäude zuläuft. Der Bahnhof liegt dort, wo – wie schon unter dem Stichwort „Klausstraße“ gesagt wurde – die Klauskirche, die Kirche des hlg. Nikolaus, lag. Sie war, wie ebenfalls schon berichtet, die Kirche der Siechen. Die Gemarkung heißt auf dem Plan von 1847/49 noch „Auf der Klauskirche“.
Bahnhofsgebäude
Benno-Schilde-Straße: Die Industrielle Revolution erfasste im letzten Drittel des 19ten Jahrhunderts ganz Deutschland und hinterließ auch bei den Hersfelder Gewerbetreibenden ihre Spuren. In wenigen Jahren entwickelte sich Hersfeld - damals hieß die Stadt noch nicht `Bad Hersfeld´ - von einer bäuerlich geprägten Kleinstadt mit seinen produzierenden Gewerbetreibenden und dem Handel zu einem der bedeutendsten Industriestandorte im Bezirk Cassel (Kassel). In dieser Zeit des Umbruchs und des Fortschritts hatte der spätere Maschinenfabrikant Benno Schilde im Jahre 1873 den ersten Kontakt mit Hersfeld. Der Gerbereibesitzer Österheld, der in der Rittergasse 4 wohnte, bot Benno Schilde ein paar kleine Räume in einem Haus hinten im Garten an. Auch eine kleine Wohnung befand sich im Haus, das einen Zuganng zur Stammengasse besaß. Die Stammengasse wurde im Jahre 1910 begradigt und verbreitert und im Jahre 1935 in Benno-Schilde-Straße umbenannt. (Vergl. Hersfelder Geschichtsblätter, Band 5/2011) Die Herkunft des Namens "Stammengasse" ist noch ungeklärt. Es ist aber möglich, dass sich hier eine Stampfmühle befand, in der Eichenrinde zu Gerberlohe zerkleinert wurde. Ganz in der Nähe befindet sich immerhin die "Löhrgasse", wo die Gerber ihre Werkstätten hatten. Aus ev. "Stampfergasse" hätte sich dann über Zwischenformen "Stammengasse" gebildet. Eine Analogbildung liegt möglicherweise bei der "Wallengasse" vor, deren Name sich aus "Walkergasse" gebildet haben könnte. (Vergl. auch "Wallengasse") Der Name „Stammengasse“ könnte sich eventuell aber auch viel einfacher erklären lassen. Bei dem Wort „Stammen“ könnte es sich auch um den Familiennamen „Stamm“ oder „Stammen“ handeln, der in unserer Gegend vorkommt. Dieser Familienname könnte der Namensgeber dieser Gasse gewesen sein. Eine solche Namensgebung dürfte auch bei anderen Gassen Hersfelds zugrunde gelegen haben. (Helwigsgasse, Kaplansgasse, Wallengasse)
Benno Schilde trug mit der Gründung und dem Aufbau seiner Maschinenfabrik erheblich dazu bei, dass sich die Region Hersfeld an die industrielle Lebenswelt anschließen konnte. Er erreichte durch sein Streben nach schweren Anfangsjahren den Aufstieg zum Fabrikanten. Seine Persönlichkeit war geprägt von handwerklichem Können, innovativer Denkweise und Erfindungsgabe. Sein wirtschaftlicher Weitblick erkannte die Perspektive für die Spezialisierung auf Ventilatoren und Trockner. Die hergestellten Produkte zählten funktional und qualitativ zu den Spitzenerzeugnissen der Branche. Er schaffte damit die Grundlage für den Erfolg des weltweit operierenden Unternehmens. Nach Benno Schilde wurde die Straße benannt, die heute von der Klausstraße, also der Innenstadt, über die Dippelstraße zu seinem ehemaligen Fabrikgelände führt. Heute befindet sich dort der Schildepark.
Benno-Schilde-Straße, Blick in Richtung Klausstraße
Stadtplan von 1847/49 mit Stammengasse
(Hessisches Landesamt für geschichtliche Landeskunde)
Breitenstraße: Es ist kein Zufall, dass die eigentliche Hauptstraße die Breitenstraße ist. Sie war die Wagenstraße, auf der im Mittelalter die jährlichen Hauptmärkte stattfanden. Daher kommt auch ihre Breite. Sie lag ursprünglich außerhalb der Stadt (außerhalb der ersten Stadtmauer, die heute nur noch durch Straßennamen erschlossen werden kann) und war Teil der „Kurzen Hessen“, einer alten Handelsstraße, die dem Verkehr zwischen Frankfurt und Leipzig diente. Diesem Gesichtspunkt ist bei der Anlage der Breitenstraße als Hauptverkehrsader und Zugang zum alten Marktplatz vor dem Rathaus und zum Kloster Rechnung getragen worden. Bei der Stadterweiterung im 13. Jhd. wurde die Breitenstraße in das Stadtgebiet einbezogen. In der Stadtordnung von 1568 heißt sie noch „Breittengaß“. (Siehe die Karte "Siedlungsentwicklung vom Mittelalter bis 1847/49" bei "Hanfsack" und
vergl. Hanfsack, Kettengäßchen und Neumarkt).
Die Breitenstraße früher
Die Breitenstraße heute
Die obere Breitenstraße früher
Die obere Breitenstraße früher
Die untere Breitenstraße früher
Brink: Brink bedeutet "Quelle" oder "Brunnen". Derartiges muss sich an der Einmündung der Straße `Neumarkt´ in die Johannesstraße befunden haben. Eine weitere oder besser erweiternde Erklärung bietet das online-Lexikon Wikipedia. Dort heißt es: "Brink ist ein gemeingermanisches Wort, das in geographischen Namen seit dem Frühmittelalter eine leicht erhöhte Stelle, einen Rand oder eine Küste bezeichnete. Im Englischen bedeutet das Wort heute `Rand´. Das Wort ist Bestandteil vieler Flurnamen im ehemaligen germanischen Siedlungsgebiet und hat sich über das Niederdeutsche im lokalen Sprachgebrauch beispielsweise in Ostwestfalen auch als Bezeichnung für einen Hügel, Berg oder einen Hang erhalten. Der `Brink´ war in Nord- und Nordostdeutschland in vielen Dörfern eine leicht erhöhte Stelle in der Nähe des Dorfes. Diese Siedlungsstellen waren vom Boden her minderwertig und lagen meistens ungeschützt. Die Brinksitzer oder Freien zählten nicht als Bauern und hatten keinen Anteil an den besseren Ackerflächen, dem so genannten Eschland. Sie hatten aber geringen Bodenbesitz und von daher auch Stimmrecht in der Gemeinde. Sie arbeiteten meistens zusätzlich als Handwerker im Dorf, da es auf dem Lande möglich war, ein Handwerk außerhalb der strengen Regelungen der Zünfte auszuüben. In der Weserstadt Vlotho werden bzw. wurden bestimmte Abschnitte Brink genannt. Sie befanden sich u. a. längs der heutigen Langen Straße. Die Stadt hatte sich im engen Tal der `Vlothe´ (später auch Linnenbeeke oder Mühlenbach genannt, heute Forellenbach) entwickelt. Die Hanglage bedingte, dass einige Häuser im Niveau etwa ein Stockwerk höher als die Straßensohle lagen. Davor befand sich der aufgemauerte Bürgersteig als Verbindung zur Straße. Im Nebeneffekt war man so vor den häufigen Hochwassern der `Vlothe´ sicherer. Der Vollständigkeit halber soll noch erwähnt sein, dass es als Gegenstück im Bereich des heutigen Sommerfelder Platzes die sog. `Grund´ gab, Häuser, die auf der hang abgewandten Straßenseite etwa ein halbes Stockwerk tiefer lagen. - Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Lange Straße als eine der Hauptstraßen Vlothos der verkehrstechnischen Entwicklung angepasst und man entfernte solche Verkehrshindernisse. Die betroffenen Häuser wurden um ein Stockwerk nach unten erweitert. Der Brink in der unteren Langen Straße ist noch erhalten, er verleiht dem Abschnitt eine nostalgische Romantik und kann als städtebauliche Besonderheit gelten. Fast unmittelbar hinter der im Bild gezeigten linken Häuserzeile erhebt sich der Amtshausberg. In den Niederlanden, namentlich in der sächsisch geprägten Provinz Drente, ist `brink´ die von alters her übliche Bezeichnung eines Platzes oder einer kleineren gemeinschaftlichen Wiese, wo sich oft eine Tränke für das Vieh, und später auch die Kirche befand. Die Bauernhöfe des Dorfes waren ringsum den `brink´ gruppiert. Hinter den Bauernhöfen lagen `de essen´ (die Eschflur). Der oft teils mit Eichen oder Linden bepflanzte `brink´ war also der Mittelpunkt des Dorfes, wo sich viele gemeinschaftliche Tätigkeiten der Dorfbewohner abspielten. Viele Dörfer in Drenthe, darunter Zuidlaren, das Museumsdorf Orvelte, Dwingeloo und viele andere, sind bis heute noch gut erkennbar. Auch in Overijssel gibt es Plätze mit dem Namen Brink, u.a. in Deventer und dem zu dieser Stadt gehörenden Dorf Bathmen."
Das Gesagte trifft auch für Bad Hersfeld zu: Der Brink liegt am Rande des Stadthügels an der Stelle, wo die Straße `Johannestor´ zur Fuldaaue abfällt, also am Rande der Stadt innerhalb der Stadtmauer. Eine weitere Deutung besagt, dass `Brink´ von `Bering´ abzuleiten sei, was bedeute, dass der `Brink´ innerhalb der Ringmauer, des Berings, am Rande der Stadt liege. Wie nun auch immer das Wort abzuleiten ist, die Lage hinter der Stadtmauer ist immer die gleiche.
Brink früher - Blick zur Johannesstraße hin mit Brunnenkumpf
Brink heute - Blick zur Johannesstraße hin mit Brunnen und Wasserspiel
Brink heute- Im Hintergrund das Hospital mit Hospitalskirche
Brüdergasse: Ein Franziskanerkloster befand sich dort, wo heute unsere Musikschule und das Sekretariat der Konrad-Duden-Schule sind. In ihm wohnten damals die sogenannten Franziskanermönche. Ihr Name wurde vom Gründer Franz von Assisi abgeleitet. In seiner Nachfolge entstand dann der Bettelmönchsorden, welcher dafür bekannt war, ohne Besitz zu sein. Die Mönche in dessen Klöstern wurden deshalb auch Bettelmönche genannt. Sie beschafften sich ihren Lebensunterhalt durch Betteln. Deshalb wurden die Mönche auch Minderbrüder genannt . Nach diesen Brüdern wurde die an das Hersfelder Kloster angrenzende Gasse ,,Brüdergasse`` genannt . Auf einem alten Plan heißt sie allerdings noch Saugasse. Möglicherweise wurden durch diese Gasse und weiter durch das Peterstor die Schweine vom Schweinehirten aus der Stadt geführt. (Siehe auch Karte bei "Benno-Schilde-Straße")
Brüdergasse
Burggasse: In den Miracula S. Wigberti, die im Jahre 936 oder früher in Hersfeld abgefasst wurden (Dr. Michael Fleck empfiehlt jedoch das Jahr 940), wird in der 5. Wundertat des Heiligen Wigbert von einem Befestigungswerk mit starken Mauern berichtet. Es lag an einem bestimmten Ort, wo Männer und Frauen zusammenkommen konnten. Das Stiftsgebiet war ja Frauen verschlossen. Man darf annehmen, dass dieser Platz die vielleicht schon im 9. Jahrhundert entstandene Ebenheit (der heutige Marktplatz) war. Zu Zeiten König Heinrichs I. soll also ein befestigter Platz angelegt worden sein, wo man im Kriegsfall die Menschen der Umgebung samt ihrem Hab und Gut in Sicherheit bringen konnte. In dieser Zeit der Ungarneinfälle wäre eine solche Anlage durchaus denkbar. Die sich an das Stift anschließenden Befestigungswerke sollen sich parallel zu den Häuserfronten des heutigen Marktplatzes erstreckt haben. Daraus würde sich auch die relative Größe des Marktplatzes erklären. (siehe auch Am Markt) Die Anlage der bürgerlichen Marktsiedlung rund um das Rathaus (Siehe auch Neumarkt) in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts hätte dann wohl auf diese ältere Befestigung Rücksicht genommen. Bis heute gibt es für diese Ansicht jedoch noch keine archivalischen oder archäologischen Beweise. Allerdings ließe sich der Name Burggasse auch dahingehend deuten, dass es sich um eine Gasse zu den Stiftsmauern hin handelt, welche die Umgebung burgartig überragten. (Siehe auch Marktplatz) Die Gasse führte früher bis an den "Dicken Turm" und die Stadtmauer, wo sie als Sackgasse endete. Deshalb hieß sie auch "Hinteres Lierloch". Eine Liere war eine Jagdtasche, eine oft benutzte Bezeichnung für Sackgassen. (Siehe auch Perfort, Ransen und Uffhäuser Straße)
Burggasse
Burggasse
Das "Abtschlößchen" in der Burggasse Bei dem Abtschlößchen handelt es sich um den bedeutendsten Rest der von Abt Ludwig Landau (1571-1588) erbauten Residenz. Der Bau wurde bei dem Brand der Stiftkirche im Jahre 1761 beschädigt.
Dudenstraße: Die Dudenstraße verbindet die Innenstadt von der Breitenstraße aus mit dem Bahnhof. Der Name dieser Straße fällt in zweierlei Hinsicht aus dem Rahmen der bisherigen Betrachtung Hersfelder Straßennamen. Zunächst ist diese Straße erst in jüngerer Zeit angelegt worden und ist auf älteren Stadtplänen noch gar nicht eingezeichnet. Am 22. Januar 1866 war jedoch die Eisenbahnteilstrecke Bebra-Hersfeld eröffnet worden. Nachdem 1883 dann auch noch das neuromanische repräsentative Empfangsgebäude des Hersfelder Bahnhofs eingeweiht worden war, wurde einige Jahre später (1886?) mit der Planung einer direkten Verbindung der Innenstadt zum Bahnhof begonnen. Die Stadtmauer wurde durchbrochen, einige Häuser wurden abgebrochen und ebenso zwei Häuser an der Einmündung der neuen Straße in die Breitenstraße. Im Jahre 1906 war die Straße, die schräg auf das Bahnhofsgebäude zuläuft, fertiggestellt. Sie überquerte damals mit zwei Brücken die Geis und die "Fliegengeis". Letztere war der Geisarm, der durch die Stadt geführt worden war. (vergl. „An der Obergeis“ und „An der Untergeis“) Zweitens trägt die neue Straße, die zunächst Kaiserstraße hieß, erst seit 1936 den Namen Konrad Dudens, des Vaters der deutschen Rechtschreibung und Direktors des königlich-preußischen Gymnasiums, der späteren „Alten Klosterschule“. Duden aber ist eine Person der jüngeren Geschichte Hersfelds. Er lebte von 1829 bis 1911 und leitete das Gymnasium von 1876 bis 1905. (Siehe auch Neumarkt)
Die untere Dudenstraße. Im Hintergrund das Bahnhofsgebäude
Bahnhofsgebäude mit Blick von der Dudenstrasse her
Eisfeld: Sie ist heute eine Verbindungsstraße von der Badestube über die Dudenstraße hinweg bis zur Antoniengasse. Sie war früher eine Sackgasse wie der Hanfsack und die beiden Lierlöcher. Sie bildet in gewisser Beziehung die Fortsetzung der Löhergasse und lief ursprünglich von der Badestube in südöstlicher Richtung über die Dudenstraße und Antoniengasse hinweg unmittelbar auf die östliche Stadtmauer zu. Wahrscheinlicher ist die Erklärung, dass die Lohe, welche die Gerber zum Gerben ihrer Felle gebrauchten, aus der Rinde des Eichbaums hergestellt wurde und dass somit „Eichsfeld“ bzw. „Eisfeld“ soviel wie „Lohgerberplatz“, „Platz, wo die Lohgerber ihre Felle zubereiten“ bedeutet. Für Hersfeld liegt es nahe, den Namen „Eisfeld“ so zu deuten, weil früher die Lohgerber oder Löher das Recht besaßen, an der Untergeis zwischen Schillerplatz und Eisfeld ihre Felle zu trocknen. Somit ist wohl „Eisfeld“ von ursprünglich „Eichsfeld“ abzuleiten.
Eisfeld, Blick in Richtung Dudenstraße und darüber hinweg
Enge Gasse: Sie ist eine kleine Gasse zwischen Hanfsack und Weinstraße. Enge Gassen, welche oft nur Durchgänge waren, wurden auch „Ahl“ oder „Winkel“ genannt. Man hielt die Straßen im Mittelalter insgesamt schmal, weil die breiteren Straßen ja auch eine Vergrößerung der Stadtfläche und somit die Vergrößerung des Stadtmauerrings bedeutet hätte, den es jedoch zu bauen, zu erhalten und im Kriegsfall auch zu verteidigen galt.
Enge Gasse vom Hanfsack aus gesehen
Enge Gasse von der Weinstraße aus gesehen
Fiddelhof: Der Fiddelhof, eigentlich Fidalhof, ist abzuleiten von Feudalhof. Der Begriff „feudal“ kommt von mittellateinisch „feudum /feodum“ und bedeutet Lehen. „feudalis“ bedeutet „zum Lehnswesen gehörig“. Der Fidalhof war also ein Lehnshof. Das Kloster hatte eigene Äcker in der Gemarkung von Hersfeld, die von diesem Hof aus bewirtschaftetet wurden. Er diente der klösterlichen Eigenwirtschaft. Die Fideles, „die Getreuen“, waren Lehnsleute, die den Fidalhof für das Kloster führten. Der Begriff „Fideles“ gehört allerdings zur Wortfamilie um das das lateinische Wort „fides“, was soviel wie „das Vertrauen auf jemandes Redlichkeit, Aufrichtigkeit u. s. w.“ bedeutet. „Fideles“, waren also Leute, die Treue beweisen. Man kann aber sagen, sie taten das mehr oder weniger gezwungenerweise. Es waren wohl Klosterhörige. (Vergl. „Am Frauenberg“)
Die Mönche des Klosters hingegen beteten, sangen fromme Lieder, schrieben Bücher ab - der Buchdruck war ja noch nicht erfunden - , erledigten die Buchführung über die Einkünfte aus den Besitzungen des Klosters u. s. w. , aber für harte körperliche Arbeit etwa in der Landwirtschaft waren sie weniger geeignet. Dafür hatte man die Lehnsleute, eben die "Fideles". Das Sträßchen liegt zwischen Benno-Schilde-Straße, Vorderer Steingraben und Am Rainchen.
Fiddelhof
Fiddelhof
Hainstraße: Der Abhang zwischen Stadtmauer und Altstadtgraben war mit Hecken und Büschen bewachsen. Dieser Hain war bestens geeignet, um eventuelle Angreifer an der Erstürmung der Stadt zu hindern. In der "Ordnüng" vom 13. Juni 1588 heißt es: "Wie es uf beuelch (Befehl) unser G. F. Landgraf Wilhelms zu hessen sc. und Abbts zu Hersfeldt biß uf I. f. g. wider abschaffen alhier In I. f. g. stadt hersfeldt Diesen Itzigen geferlichen laufften (Zeitläufen) mit bestellung Der Tag und nachtwacht und sonsten gehalten werden soll. .................... Zum Zehenten sollen Bürgmeister und Rath den hein so umb die stadt gehet, also zuhalten auch da Die wäll am stadtgraben eingefallen widumb verbessern lassen, Das nicht Jder man so leichtlich bey die stadt Mauren kommen konne. Desgleichen daran sein. Wo die schlege vor den stadt thoren verfallen oder zerbrochen, Das Dieselbige Den nechsten widerumb gemacht und verbessert werden. Die Im falls es von nötten zugebrauchen haben." (Louis Demme, Nachrichten und Urkunden zur Chronik von Hersfeld, Erster Band, Beilage 100, S. 329) Nach der Einebnung von Wall und Graben an der Südostseite der Stadt nannte man die entstehende Straße "Hainstraße". Sie ist Teil des Stadtrings. Landbaumeister Leonhard Müller (1827 bis 1851 in Hersfeld tätig) war maßgebend an der Veränderung und Modernisierung des mittelalterlichen Stadtbildes beteiligt. Zu seinen wichtigsten Maßnahmen gehörte die Entfestigung, d. h. die Abtragung der Wälle und Zuschüttung der Stadtgräben, um Flächen für eine Ausdehnung der Stadt zu erhalten. Dabei blieben trotzdem erhebliche Teile der Stadtmauer erhalten. Ebenso wurde ein Park angelegt, die heutige „Leonhard-Müller-Anlage“. Sie ist die älteste öffentliche Grünanlage von Bad Hersfeld und steht mit dem Stiftsbezirk als Gesamtensemble unter Denkmalschutz.
Hainstraße früher (an der Einmündung der Abt-Michael-Straße von rechts)
Hainstraße heute (die Einmündung der Abt-Michael-Straße ist rechts in der Bildmitte)
Parkplatz an der Hainstraße unterhalb der Luisenschule; auch ein Stück Stadtmauer ist am Hang zu erkennen.
Hanfsack: Der Hanfsack verband damals die Weingasse (heute "Weinstraße") mit der südlichen Stadtmauer der ältesten städtischen Ansiedlungen. "Sack" gilt als die Bezeichnung für blind auf die Stadtmauer auslaufende Gassen. Im Hanfsack wurden die Hanfstängel rechts und links neben dem Fahrweg zum Trocknen ausgelegt, später weiter behandelt und schließlich gesponnen und zu Geweben, Stricken und Zwirnen verarbeitet. Wegen der zum Trocknen der Hanfstängel benötigten Fläche war diese Gasse auch breiter als andere Gassen. Nach der Stadterweiterung im 13. Jahrhundert war diese Straße keine Sackgasse mehr, doch der Name blieb erhalten. (Siehe die Karte "Siedlungsentwicklung vom Mittelalter bis 1847/49")
Hanfsack
Siedlungsentwicklung vom Mittelalter bis 1847/49
(Hessisches Landesamt für geschichtliche Landeskunde)
Das Haus im Hanfsack, in dem Lingg während seines Aufenthaltes im Jahre1807 in Hersfeld wohnte.
Fachwerkhaus mit reich ausgestaltetem Fachwerk mit Renaissance-Flachschnitzereien im Hanfsack an der Ecke zum Kettengässchen
Hinterer Steingraben: Grabengassen sind Verbindungsgassen, um höhergelegene Stadtteile mit Niederungen zu verbinden. Da Regenwasser wegen des starken Gefälles diese Gassen stark auswusch, wurden sie gepflastert und deshalb Steingraben genannt. Sie waren die ersten befestigten Straßen in den Städten.
Hinterer Steingraben
Hospitalgasse: Seit dem Jahre 1344 war das Hospital im städtischen Besitz. Es war als ein Werk christlicher Barmherzigkeit im Jahre 1239 von den Benediktinern unter Abt Ludwig I. gegründet worden und war keineswegs nur für Kranke bestimmt. Es diente zugleich als Armenhaus, in das sich aber auch alte Leute einkaufen konnten. Die Zuwendungen für diese Anstalt waren so groß, dass man schon wenige Jahre nach ihrer Gründung eine Kapelle anbauen und 30 Pfründner aufnehmen konnte. Abt Johann von Elben verkaufte das Hospital mit sämtlichen Liegenschaften im Jahre 1344 an die Stadt Hersfeld für 500 Pfund Pfennige, da er Geld benötigte. Er hatte bei den Juden 500 Pfund Schulden. Nach dem Hospital wurde die vorbeiführende Gasse "Hospitalgasse" genannt. (Siehe auch "Brink")
Hospital mit Kirche am Eingang der Hospitalgasse vom Brink her
Hospitalgasse früher
Im Stift: Wie der Name schon sagt, befindet sich diese Straße im Stiftsbezirk. Sie führt an der Stiftsruine vorbei. Dabei ist es sinnvoll, doch einen kleinen Blick in die Geschichte der Reichsabtei Hersfeld zu werfen und deren Übergang in hessischen Besitz betrachten:
736 Sturmius (Sturm), aus Bayern stammend, von Bonifatius christlich erzogen, von Wigbert zum Priester geweiht, kommt nach Hersfeld (Haerulfisfeld); er baut ein mit Rinden gedecktes Kirchlein; nach dem Bericht Eigils, eines Freundes des Sturmius, handelte es sich bei diesem Ort um eine verlassene Siedlung am Frauenberg, die sicher einem Manne namens Haerulf gehört hatte; andere Leute müssen in der Nähe gewohnt haben, die Sturmius diesen Namen überliefert haben; Sturmius war in die Einöde Buchonias gezogen, um hier Gott zu dienen, nachdem er unter Abt Wigbert drei Jahre lang als Priester und Heidenbekehrer in der Umgebung Fritzlars gewirkt hatte.
744 Sturmius gründet das Kloster Fulda, nachdem er auf Geheiß des Bonifatius wegen der Nähe der Sachsengrenze weiter in die Buchonia vorgedrungen war.
754 Lullus (Lull), der Angelsachse (* 705 in Wessex), wird Nachfolger des Bonifatius auf dem Bischofsstuhl in Mainz; zwischen ihm und Sturmius entsteht Streit über Privilegien des Klosters Fulda (die Hoheit und Gerichtsbarkeit unterstand nicht dem Mainzer Bischof sondern direkt dem Papst).
769 Lullus gründet aus Konkurrenzgründen zu Fulda ein Benediktinerkloster in Hersfeld, dessen von Sturmius gegründete mönchische Siedlung niemals aufgegeben worden war (Fundamente eines Kirchleins wurden im Südflügel des Querhauses der Stiftsruine gefunden); das Kloster wird den Aposteln Simon Zelotes und Judas Thaddäus geweiht, von denen Reliquien im Kloster ruhten; außerdem wurde nach der Niederwerfung der heidnischen Sachsen durch Karl d. Gr. im Jahre 772 ein der Sachsengrenze näher gelegenes Missionskloster wichtig.
769 - 786 Abt Lullus
775 Das Kloster Hersfeld wird auf dem Reichstag von Quierzy von Kaiser Karl d.Gr. in seinen und seiner Nachkommen Schutz genommen und mit außergewöhnlichen Vorrechten ausgestattet: das Recht der freien Abtswahl durch die Brüder (Mönche), die Befreiung von jeder bischöflichen (eine Spitze gegen Fulda) und gräflichen Gewalt u.a.; dadurch wird die Abtei dem König unmittelbar unterstellt und die spätere Stellung des Hersfelder Abts als Reichsfürst angebahnt; in geistlicher Hinsicht untersteht die Abtei direkt dem Papst in Rom; reiche Schenkungen Karls an das Kloster (Landbesitz, Ortschaften, Zehntabgaben, Kirchen u.s.w.); nach dem "Breviarium Lulli", einem Zehntverzeichnis, besaß das Kloster in karolingischer Zeit rund 60000 Morgen Land, verteilt auf 193 Ortschaften, von denen 132 Ortschaften mit etwa 3/4 des gesamten Besitzes in Thüringen lagen.
780 Lullus läßt die Gebeine des hlg. Wigbert, des ersten Abts von Fritzlar und Erziehers des Sturmius, von Büraberg bei Fritzlar nach Hersfeld überführen; das Kloster wird dadurch zum Wallfahrtsort.
28. Juli 782 Karl d. Gr. besucht die Abtei Hersfeld.
16. Okt. 786 Todestag von Lullus; er und Witta, der Bischof von Büraberg und Freund seiner Jugend, werden in der Klosterkirche begraben; Lulls Grab ist verschwunden, aber Wittas Sarkophag mit dem steinernen Kopfkissen ist noch heute in der Stiftsruine zu sehen.
um 800 Errichtung eines Kirchleins auf dem Frauenberg. (siehe auch Am Frauenberg)
820 Kaiser Ludwig der Fromme nimmt die Abtei Hersfeld in seinen Schutz und bestätigt die Schenkungen seines Vaters Karl.
831 Unter Abt Bun wird der Bau einer Großbasilika begonnen; schon unter ihm steht die Klosterschule in hohem Ruf; ihr Vorsteher war damals Haimo, der später Bischof von Halberstadt wurde; man glaubt auch, daß zu dieser Zeit der unbekannte Dichter des "Heliand" seine theologische Ausbildung in Hersfeld erhielt.
850 Vollendung des Kirchenbaus unter Abt Brunwart.
852 Begründung des Lullusfestes als eines (zunächst) reinen Kirchenfestes zum Gedächtnis des heiligen Lullus anläßlich der Überführung seiner Gebeine in die neue Stiftskirche. Auf den 16. Oktober, den Todestag des Lullus, fällt nun ebenfalls auch noch der Namenstag des Hlg. Gallus. An diesem Tag wurde auch der Gallusmarkt gehalten. Durch das allmähliche Zusammenwachsen beider - Lullusfest und Gallusmarkt - entstand das heutige Volksfest "Lullusfest" resp. „Lullusmarkt“ .
915 Erste Einfälle der Ungarn; der Marktplatz Hersfelds, der früher "Ebenheit" hieß, wird in dieser Zeit der Ungarneinfälle als Fliehburg angelegt; das erklärt möglicherweise seine für westdeutsche Städte außergewöhnliche Größe.
932 - 935 Abt Megingoz; er erbaut die Wachsenburg, eine der drei Gleichen, um die thüringischen Besitzungen des Hersfelder Klosters zu schützen; nach Megingoz ist auch das Dorf Mengshausen benannt; sehr wichtig ist die landwirtschaftliche Tätigkeit der Mönche, denn es galt, die Ländereien, die dem Kloster geschenkt worden waren, dem Wald zu entreißen und unter den Pflug zu nehmen; hatte man zunächst wohl nur aus Holz gebaut, so legt man bald Kalköfen an (der Hersfelder Stadtteil Kalkobes hat daher seinen Namen), brennt Ziegelsteine und holt Bruchsteine aus den nahen Bergen.
970 - 985 Abt Gotzbert; Verwilderung der Klosterzucht.
985 - 1005 Abt Bernhard; er läßt die harte benediktinische Klosterzucht weiter verkommen.
1005 - 1012 Abt Godehard, vorher Abt von Nieder-Altaich; seine Berufung erfolgt nach dem Tode von Abt Bernhard durch Kaiser Heinrich II., das Recht der hersfeldischen Mönche auf freie Abtswahl mißachtend; Godehard stellt die Hersfelder Mönche vor die Wahl, entweder von nun ab nach den Regeln Benedikts zu leben, oder aber das Kloster zu verlassen; seine Klosterreform hat Erfolg: an die Stelle von Prunksucht und Wohlleben tritt wieder benediktinische Bedürfnislosigkeit; nach Godehard ist der St. Gotthard in den Alpen benannt.
1012 - 1031 Abt Arnold, ehemaliger Mönch von Nieder- Altaich; er gründet ein Kloster zu Ehren des hlg. Johannes auf dem Johannesberg.
1038 Abt Meginher läßt die Glocke im Katharinenturm gießen; sie ist die älteste Glocke Deutschlands; Brand der Klosterkirche; der sofortige Wiederaufbau wird begonnen.
1040 Vollendung der Krypta.
1058 Lambert (eigentlich Lampert, von Lamprecht abzuleiten), später als Lambert von Hersfeld bekannt, tritt unter Abt Meginher in das Kloster ein; er war möglicherweise unter den Äbten Ruthardt und Hartwig Leiter der Hersfelder Klosterschule (sie ist nicht zu verwechseln mit dem späteren Gymnasium in dem Gebäude des Franziskaner- oder Barfüßerklosters am Neumarkt); in dem Jahrzehnt zwischen 1063 und 1073 dürfte er die "Vita Lulli", die Lebensbeschreibung des Lullus, geschrieben haben.
1073 - 1074 Aufstand der Sachsen und Thüringer gegen Kaiser Heinrich IV., der sein Heer in Hersfeld sammelt; sein Sohn Konrad wird in Hersfeld geboren; dessen vergoldete Wiege soll noch lange an einem der Bögen des Querschiffes gehangen haben (Konrad stellt sich später auf die Seite der Gegner seines Vaters; er wird vom Erzbischof von Mailand in Monza zum König von Italien eingesetzt; er stirbt aber 27-jährig.
1091 - 1100 Abt Friedrich; er stellt Hersfelds erschütterte Stellung in Thüringen wieder her und residiert deshalb zumeist auf der Wachsenburg, wo er auch gestorben ist.
1127 - 1155 Abt Heinrich I. von Bingarten; unter ihm erlebt die Abtei einen Höhepunkt ihrer Geschichte; der kaisertreue Abt befindet sich oft auf Reichs- und Hoftagen, und wiederholt ist Kaiser Konrad III. zu Gast in Hersfeld; in der Nähe Hersfelds sammelt sich auch das Heer, das 1139 gegen den aufrührerischen Herzog Heinrich d. Stolzen aufgeboten wurde (Hie Welf! - Hie Waiblingen!); kurzzeitig wird Heinrich auch Abt von Fulda.
Das Hoheitszeichen der Äbte, ein Doppelkreuz, am Osteingang zum Stiftsbezirk.
Es galt als ein Zeichen der Trennung der Hoheits - und Gerichtsbezirke von Stift und Stadt Hersfeld
1142 Die Stadt Hersfeld wird erstmals als Marktort genannt; durch ihre Lage an der "Reichsstraße", einer alten Handelsstraße zwischen Frankfurt und Leipzig, die hier die Fulda und Haune auf früh erbauten Brücken überquerte, wurde Hersfelds Entwicklung weiter gefördert; während des Marktes stand der Ort unter dem Marktfrieden, der allen Besuchern Schutz für ihre Person und für ihr Eigentum garantierte; äußeres Zeichen des Marktfriedens war oft ein steinernes Kreuz; man darf sicher das vor dem Stift stehende Steinkreuz als ein solches betrachten; den ältesten Grundstock der Bevölkerung hatten die unfreien Bauern- und Handwerkerfamilien gebildet, die dem Kloster gehört hatten; hinzu waren Leute gekommen, die Grundstücke zu freier Leihe gegen Zins erworben hatten; eine dritte Gruppe waren zugewanderte Unfreie, die nach Jahr und Tag, wenn sie von ihrem früheren Herrn nicht zurückgefordert worden waren, frei geworden waren (Stadtluft macht frei); die beiden zuletzt genannten Gruppen unterstanden dem Stadtgericht, dem ein vom Abt eingesetzter Schultheiß vorstand (im Jahre 1431 beschwerte sich der Abt darüber, daß die Stadt auch seine dort ansässigen Eigenleute gezwungen habe, Bürger zu werden); die führende Schicht der aufstrebenden Stadt waren die Tuchkaufleute oder Gewandschneider, wie sie damals genannt wurden; hinzu kamen die Wollweber, die wohl aus Flandern zugewandert waren und in Urkunden kurzerhand als Fleminge bezeichnet werden. Flurnamen wie "Hinter den Flehmen" und der "Vlämenweg" erinnern noch an sie. daneben werden die Zünfte der Leineweber, Lohgerber (Löher), Fleischhauer und Bäcker genannt.
1144 Die neue Stiftskirche wird geweiht; sie ist die größte romanische Hallenbasilika nördlich der Alpen; die neue Kirche ist 103,50 m lang, im Querschiff 56 m und im Längsschiff 31 m breit; der Chor ist 27 m tief; die ganze Kirche bedeckt eine Fläche von über 3000 qm; König Konrad III., der bei der Weihe persönlich anwesend ist, schenkt dem Kloster zur Erinnerung an den festlichen Tag einen Weinzehnten von den Reichsgütern in Ingelheim am Rhein.
1146 Konrads III. Gemahlin stirbt in Hersfeld.
1170 Hersfeld wird erstmals als Stadt (civitas) und somit als befestigter Ort genannt; die Stadt hatte vier Tore, das Peters-, Johannes-, Frauen- und das Klaustor.
1180 - 1200 Abt Siegfried; Streit mit Landgraf Ludwig III. von Thüringen über Vogteirechte. Weil die Äbte als Geistliche die Gerichtsbarkeit selbst nicht ausüben konnten, war ihnen schon von Karl d. Gr. ein angesehener, meist in der Gegend angesessener begüterter Laie als Beihilfe in Gerichtssachen (Vogt) beigegeben worden.
1239 Abt Ludwig I. stiftet für Arme, Alte und Kranke das Hospital am Johannestor.
1249 - 1252 Die Stadt wird vorübergehend vom Gegenkönig Wilhelm von Holland als Reichsstadt anerkannt.
1493 - 1513 Abt Volpert Riedesel von Bellersheim; er versucht, die Abtei Hersfeld wegen der Zerrüttung ihrer Finanzen mit der Abtei Fulda zu vereinigen, scheitert jedoch am Widerstand der Hersfelder Bürger, die von der hessischen Landgräfin Anna unterstützt werden.
1516 - 1556 Abt Krato
1520 Beginn der Reformation in Hersfeld; der Weltgeistliche an der Stadtkirche Heinrich Fuchs und ab 1523 sein Kaplan Melchior Ringk predigen, daß kein Mensch sich durch eigene Werke den Himmel verdienen könne.
1521 Luther auf seinem Rückweg vom Reichstag in Worms in Hersfeld; er wird von Abt Krato empfangen; Luther predigt - trotz Verbots - auf Einladung des Hersfelder Abtes am 01. Mai 1521 in der Stiftskirche; unter dem Eindruck der persönlichen Begegnung mit Luther heiratet Pfarrer Heinrich Fuchs; Abt Krato befiehlt dem Pfarrer und seinem Kaplan deshalb, Hersfeld zu verlassen.
Soweit lautet die derzeit allgemein akzeptierte Version, was die zeitliche Abfolge der Ereignisse betrifft. Es ist aber doch wohl etwas anders gewesen:
Luther reiste in einem zweirädrigen Karren, der von einem Pferd gezogen wurde. Zwei weitere Pferde zum Wechseln wurden noch mitgeführt. Die Reisewege waren holprige und ausgewaschene Feld- und Waldwege. Wurde der Weg zu steil, musste man absteigen und zu Fuß gehen. Zieht man also die zur damaligen Zeit möglichen täglichen Reiseetappen in Betracht, so konnte man an einem Tage höchstens 30 bis 40 Kilometer vorankommen. Nachdem Luther Frankfurt a. M. am 28. April 1521 verlassen hatte, von wo er noch einen Brief an Lucas Cranach geschrieben hatte, erreichte er am Abend dieses Tages Friedberg (Entfernung 25-30 km). Danach ging es am 29. April nach Grünberg (Entfernung 35-40 km). Wenn Luther aber am 01. Mai morgens in Hersfeld gepredigt haben soll, so müsste er die über 70 km von Grünberg nach Hersfeld an einem Tag, dem 30. April, bewältigt haben, was nicht möglich gewesen ist. Er übernachtete deshalb sicher in Alsfeld (Grünberg bis Alsfeld ca. 30 km), war am 01. Mai erst abends in Hersfeld und predigte dann am 02. Mai 1521 in Hersfeld (Alsfeld bis Hersfeld ca. 40 km). Luther schrieb in einem Brief an seinen Freund Georg Spalatin, den Beichtvater und engsten Vertrauten des Kurfürsten Friedrichs des Weisen, dass er "am nächsten Tag" (altera die), also dann am 03. Mai, nach Eisenach aufbrach, wo er am Abend eintraf. Diese geänderte Chronologie der Ereignisse wird vom Altphilologen Dr. Michael Fleck vertreten, die er zuletzt in der Beilage zur Hersfelder Zeitung "Mein Heimatland" (Beilage Nr. 7, Juli 2016, Band 55) darlegte.
Auch für den Ort von Luthers Predigt in Hersfeld vertritt Dr. Fleck eine andere These. Er schreibt in einem für die Stadt Bad Hersfeld verfassten Flyer:
........... "Das bedeutet aber, dass Luther nicht schon am Abend des 30. April, sondern erst am Tag danach in Hersfeld eingetroffen ist. Der von ihm in so rühmenden Worten geschilderte Empfang durch den Abt und die Bürger von Hersfeld fand also am Abend des 1. Mai 1521 statt. Luther hat demnach nicht am 1., sondern am 2. Mai in Hersfeld gepredigt. Die traditionelle Ansicht, er habe das morgens um 5.00 Uhr getan, beruht einerseits auf der (unrichtigen) Annahme, Luther habe die Fahrt von Grünberg an einem Tag bewältigt und sei noch am Morgen des folgenden Tages nach Eisenach weitergereist, sowie auf einem falsch verstandenen Ausdruck in Luthers Brief, in dem er schreibt, man habe ihn gedrängt mane quinta zu predigen. Mit quinta ist nicht die Stunde, sondern der Wochentag gemeint, und zwar der Donnerstag. Der 2. Mai 1521 war ein Donnerstag. Luther hat nicht in der leeren Stiftskirche zu nachtschlafener Zeit vor einer Handvoll mehr oder weniger aufmerksamer Mönche seine Predigt gehalten, sondern am frühen Vormittag (mane) vor einem großen Teil der Hersfelder Bevölkerung. Nur so sind seine dem Abt vorgetragenen Bedenken verständlich; auch verwendet er für seine Predigttätigkeit durchweg Ausdrücke, die eine große Zuhörerschaft voraussetzen. Er ist auch nicht gleich nach seiner Predigt nach Eisenach weitergereist, sondern erst am folgenden Tag, also am 3. Mai, hat die Nacht vom 3. auf den 4. in Eisenach verbracht und ist am folgenden Tag auf die Wartburg entführt worden. In Möhra, wo er am Tage seiner Entführung seinen dortigen Verwandten einen kurzen Besuch abstattete, hat er nachweislich weder genächtigt noch gepredigt.
Luther hat also nicht nur eine, sondern zwei Nächte in Hersfeld verbracht, mithin einen ganzen Tag, nämlich den 2. Mai, an dem er hier gepredigt hat, sich in Kloster und Stadt aufgehalten. Dass er sich bei dieser Gelegenheit mit dem Abt auch über die politischen und kirchlichen Probleme der alten, längst unterminierten Reichsabtei unterhalten hat, dürfen wir als sicher annehmen. Wie es scheint, ist Luther aber auch mit dem Pfarrer der Stadtkirche, mit Heinrich Fuchs, zusammengetroffen, denn er erwähnt in einem späteren Brief, allerdings ohne dessen Namen zu nennen, den Hersfelder Stadtpfarrer lobend, der vor kurzem geheiratet habe. Die Hersfelder Stadtkirche gehörte zu den ersten Kirchen überhaupt, in denen die reformatorischen Tendenzen zum Tragen kamen, und Heinrich Fuchs hatte bereits 1520/21 dank der toleranten Einstellung Abt Kratos im lutherischen Sinn zu predigen begonnen. Aus diesem Grunde sollte man zumindest mit der Möglichkeit rechnen, dass Luther seine Predigt in Hersfeld gar nicht in der Kirche des Fürstabtes, der Kaiser und Papst verpflichtet war, gehalten hat, sondern in der Hersfelder Stadtkirche, dem Zentrum der bereits damals reformatorisch gesinnten Kirchengemeinde.
Dass Luther gerade in Hersfeld länger als irgendwo sonst auf seiner Rückreise von Worms verweilte, hier also einen Ruhetag einlegte, kann eigentlich nicht überraschen. Einmal war es die von ihm so nachdrücklich und dankbar hervorgehobene großzügige Gastfreundschaft des ihm in manchem wohl geistesverwandten Abtes Krato, die einen verlängerten Aufenthalt in solch angenehmer Umgebung empfehlenswert erscheinen ließ, zum andern stand dem Reisenden für den nächsten Tag die weitaus längste Wegstrecke bevor, durchaus ein Grund, einmal kurz Atem zu schöpfen - auch in übertragenem Sinn: Ein kurzes Innehalten vor dem entscheidenden Schritt in eine noch dunkle und gefahrendrohende Zukunft."
17. Dez. 1523 Nach Predigten von Fuchs und Ringk über die sittenlosen Zustände im Stift und in der Stadt (Unzucht, Trunksucht, Gotteslästerung, Zusammenleben in wilder Ehe und Stiftsherren mit Konkubinen) und wegen ihrer Ausweisung (s. o.) wird das in der Nähe der Stadtkirche gelegene Haus des Stiftskanzlers Schallis geplündert; schließlich dringt das Volk auch in das Stift ein, plündert die Häuser von 9 oder 10 Geistlichen und erpreßt von den Priestern Geld, um es dann in den Schenken der Stadt zu vertrinken; Fuchs und Ringk werden auf Befehl des Landgrafen gefangengesetzt, doch die Hersfelder helfen ihnen aus dem Gefängnis und über die hessische Grenze; wohl bestraft der Landgraf die Plünderer, aber den anderen aufsässigen Bürgern geschieht nichts, und die Flucht wird nicht weiter untersucht.
1524 Der Magister Adam Krafft, der in seiner Vaterstadt Fulda unter großem Zulauf des Volkes im lutherischen Sinne gepredigt hatte und dort von der hohen Geistlichkeit vertrieben worden war, findet in Hersfeld sicher mit Einwilligung des Abtes Krato freundliche Aufnahme; er wird der eigentliche Reformator Hersfelds; Landgraf Philipp ernennt Krafft zu seinem Hofprediger, nachdem er ihn nach der Niederwerfung des Bauernaufstandes hatte predigen hören.
1525 Bauernaufstand; die Bürgerschaft, geführt von Bürgermeister Ottensaß, geht zu den Aufständischen über; während der Abt auf seinem festen Schloß, dem Eichhof, sitzt, stürmt die Menge das Stift, plündert die Abtswohnung, mißhandelt Stiftsbediente und zerstreut, verdirbt und vernichtet vieles; Niederwerfung des Bauernaufstandes in der Hersfelder Gegend durch Landgraf Philipp von Hessen, was er sich vom Abt mit der Oberherrschaft über eine Hälfte Hersfelds und einiger hersfeldischer Amtsbezirke bezahlen läßt; seit dieser Zeit findet sich der hessische Löwe im Hersfelder Stadtwappen (ab 1559 zusammen mit dem Hersfelder Doppelkreuz, dem eigentlichen Hersfelder Wappen) Balthasar Raid, wie Adam Krafft aus Fulda stammend, kommt als erster protestantischer Prediger nach Hersfeld; der Nachbau seines 1563 gebauten Hauses steht in der Unteren Frauenstraße.
1556 - 1571 Abt Michael, der ehemalige Dekan des Stifts Michael Landgraf; er hält sich bereits einen evangelischen Hofprediger.
1571 - 1588 Abt Ludwig V., der ehemalige Koadjutor Abt Michaels, Ludwig Landau; Streit mit Kursachsen um Lehnsherrschaft in thüringischen Amtsbezirken; er verspricht dem hessischen Landgrafen Wilhelm die zukünftige Administration in Hersfeld.
1588 - 1592 Abt Kraft Weiffenbach (gest. 1595), der allerdings nicht die Anerkennung des Papstes erhält; auch eins der noch verbliebenen Mitglieder des Kapitels und einziger Katholik, Joachim Roell, verweigert die Anerkennung.
1592 - 1606 Abt Joachim (Joachim Roell); er wird durch Mithilfe seines persönlichen Freundes, des Landgr. Moritz von Hessen, Nachfolger Weiffenbachs; durch ihn wird
der Übergang der Abtei in hessische Administration begünstigt und herbeigeführt.
1606 Nach dem Tode Abt Joachims, des letzten Abts, wird Otto, der Sohn von Landgraf Moritz, Administrator der Abtei.
1608 Landgraf Moritz läßt die Bildwerke aus der Stadtkirche entfernen.
1609 Nach Einführung der "Verbesserungspunkte" durch Landgraf Moritz muß Hersfeld den reformierten Ritus anstelle des lutherischen übernehmen; die Hersfelder Bürger sträuben sich zunächst.
1623 - 1625 Tilly, kaiserlicher Feldherr während des 30-jährigen Krieges, in Hersfeld; ein habsburgischer Erzherzog wird Administrator; erneut Mönche im Kloster; in der
Folgezeit hat Hersfeld unter dem wechselnden Kriegsglück heftig zu leiden.
1629 - 1631 Wieder kathol. Gottesdienst in der Stadtkirche; mehr als 6 000 Einwohner der Abtei werden wieder katholisch.
1648 Nach dem Ende des 30-jähr. Krieges wird die Reichsabtei Hersfeld in ein weltliches Fürstentum mit Sitz und Stimme im Reichstag umgewandelt, das von Kaiser
Ferdinand III. von Habsburg den Landgrafen von Hessen-Kassel als Reichslehen zugesprochen wird. Diese sollen deswegen jedesmal beim Kaiser um die
Belehnung nachsuchen; im 15. Artikel des Friedensvertrages von Münster und Osnabrück wurden die Angelegenheiten des Hauses Hessen-Kassel geordnet;
Paragraph 2 dieses Artikels behandelt die Hersfelder Angelegenheiten.
Die Landgrafen von Hessen-Kassel hatten seitdem auch als Fürsten von Hersfeld Sitz und Stimme im Reichstag. Die Landgrafschaft, das spätere Kurfürstentum Hessen Kassel, wird damit Rechtsnachfolger der Reichsabtei. Das Gelände im Stiftsbezirk mitsamt den darauf befindlichen Gebäuden ging damit in den unmittelbaren Besitz der Landgrafschaft über. Am 19. Febr. 1761 brannten der Stiftskirche und die umliegenden Abteigebäude. Die Kirche und Abteigebäude hatten den französischen Truppen unter Marschall Broglie als Vorrats-und Verpflegungslager gedient. Es lagerten hier etwa 80000 Säcke Mehl, 50000 Säcke Hafer und eine Million Ballen Heu und Stroh. Damit dies nicht in die Hände der unter Herzog Ferdinand von Braunschweig heranrückenden preußischen Alliierten fiel, wurden die Vorräte von den Franzosen angezündet. Ein riesiges
Flammenmeer erhellte den abendlichen Himmel über Hersfeld. Der große Turm über der Vierung mit der kupfer-vergoldeten Hand, die angeblich noch von Karl d.Gr.
stammte, und der Dachstuhl der großen Kirche stürzten ein. Mehlstaubexplosionen zerrissen die von Säulen getragenen Bögen des Mittelschiffes. Löschversuche waren
wegen der großen Hitze und der Furcht vor Plünderungen der abrückenden Franzosen nicht möglich. In wenigen Stunden verbrannte, was in 700 Jahren mit viel Fleiß
aufgebaut und glücklich erhalten worden war. Noch ein halbes Jahr später schlugen die Flammen den Aufräumenden entgegen. Die Ruine der Hersfelder Stiftskirche
wurde später als Holzmagazin und Exerzierplatz des Infanteriebatallions benutzt. Die Hersfelder Bürger holten sich Steinmaterial aus der Ruine zum Bau ihrer
Häuser. Dass die Ruine nicht vollends zerfiel, ist der Tatkraft und dem Kunstverstand des Landbaumeisters Leonhard Müller zu verdanken, der auch der Erbauer der
Luisenschule ist. Er verwandte die für den Abriß der baufälligen Ruinenreste vorgesehenen Mittel zur Ausbesserung und Sicherung des noch stehenden Gemäuers.
Der Renaissancegiebel des einstigen Abtschlosses ist noch erhalten und einem neueren Bau eingefügt.
Im Jahre 1821 endete das Fürstentum Hersfeld endgültig, das nun als Kreis Hersfeld dem Kurfürstentum Hessen einverleibt wird; Hersfeld wird Kreisstadt.
Nach Einverleibung Kurhessens und somit auch Hersfelds in den preußischen Staat (als Teil der preußischen Provinz Hessen-Nassau) wurde 1866 - 1868 im Stiftsbezirk gegenüber dem Hauptportal der Ruine ein Kasernengebäude errichtet, in welches das 1871 aus dem Kriege heimkehrende Füsilierbataillon des 2. Thüring. Inf.-Reg. 32 einzog; ab 1891 diente das Gebäude als Kadettenanstalt. Daher sprechen alte Hersfelder auch von der „Alten Kriegsschule“. Mit der Neugründung des Bundeslandes Hessen nach dem zweiten Weltkrieg befindet sich der Stiftsbezirk mit der Stiftsruine im Besitz des Landes Hessen. Heute befindet sich in der „Alten Kriegsschule“ das Finanzamt.
Dreigeschossiger Fachwerkbau am Eingang zum Stiftsbezirk. Als Teil der Abtsresidenz errichtet, diente das Gebäude später verschiedenen Zwecken, z. B. als "Fürstliche Wohnung", "Oberamtmannswohnung" u. a. mehr. In dem Gebäude sind z. Zt. das Institut für Lehrerbildung, das Studienseminar und eine Außenstelle der Fernuniversität Hagen untergebracht.
Im Stiftsbezirk
Katharinenturm. In diesem Turm hängt mit der bienenkorbförmigen "Lullusglocke" aus dem Jahre 1038 die älteste datierbare Glocke Deutschlands.
Die "Lullusglocke" im Katharinenturm, die älteste Glocke Deutschlands. Sie wird nur einmal im Jahr, zum Lullusfest, geläutet.
Konrad Zuse (1910 bis 1995; Vater des Computers; ab 1957 Computerproduktion in der Zuse KG in Bad Hersfeld) und Konrad Duden (1829 bis 1911; "Vater der deutschen Rechtschreibung"; er leitete das Gymnasium in Hersfeld von 1876 bis 1905) (Siehe auch Neumarkt) vor dem Katharinenturm im Stiftsbezirk
Stiftsruine im Stiftsbezirk; in der Ruine finden alljährlich im Sommer die Hersfelder Freilichtfestspiele statt.
Maße der Stiftsruine:
102,8 m vom Westen nach Osten,
fast 57 m Breite des Querhauses,
46,8 m Länge des Langhauses,
29 m Breite des Langhauses,
22,5 m Scheitelhöhe der Triumphbögen im Querhaus Bühnenmaße,
9 m Höhe der Seitenschiffswände,
1.600 qm Bühnenfläche
Bei der Erhaltung der Stiftsruine betätigte sich Landbaumeister Leonhard Müller (1827 bis 1851) als einer der ersten Denkmalspfleger in Hessen. Er rettete die 1761 von französischen Truppen eingeäscherte Stiftskirche vor dem Abriss und verwandte die dafür vorgesehenen Landesmittel für den Erhalt der Ruine.
Die "Alte Kriegsschule". Die ehemalige Kadettenanstalt ist heute Finanzamt.
Forstamt im Stiftsbezirk. Im 16. Jhd. war es Gästehaus der Äbte, ab 1798 Fruchtschreiberwohnung, in der Mitte des 19. Jahrhunderts kurfürstlich-hessische Renterei und ab 1868 Forstamt
Teil der Stiftsmauer mit Resten des Wehrganges
Leonhard-Müller-Anlage mit Teichen, wo früher der Stadtgraben war.
Leonhard-Müller-Anlage im Winter.
Teil der Stadtmauer an der Leonhard-Müller-Anlage.
Johannesstraße: Straße, die zum Johannestor führte. (Siehe auch Johannestor)
Johannesstraße
Johannestor: Die vier Stadttore Johannes-, Peters-, Klaus- und Frauentor erhielten ihre Namen nach den nächstliegenden Kirchen. Drei der Kirchen befanden sich auf dem Johannesberg, dem Frauenberg und dem Petersberg. Auf dem Johannesberg und dem Petersberg befanden sich zudem Probsteien des Stifts. Die Klauskirche lag in der Nähe des Bahnhofs. Die zu diesen Toren führenden Straßen erhielten dann entsprechend die Namen Johannesstraße, Frauenstraße und Klausstraße. (Siehe auch Klausstraße und Am Frauenberg)
Ehemaliges Johannestor; ein Teil der Stadtmauer ist rechts noch vorhanden.
Kaplangasse: Die Kaplangasse ist eine Verbindungsstraße vom Marktplatz zur Unteren Frauenstraße. Wilhelm Schoof schreibt in einem Aufsatz: “Der Name ,Kaplangasse’ (im Volksmund die Kappelsgaß genannt) hat zu der Annahme verleitet, dass nach der volkstümlichen Überlieferung die Straße ihren Namen nach dem am Eingang der Straße gelegenen Steinhaus, dem sog. Gotischen Haus, erhalten habe, das früher eine Kapelle gewesen sei. Diese Annahme hat sich indessen als irrtümlich erwiesen. Ich habe festgestellt, dass die Straße nach einer im 13. und 14. Jh. in Hersfeld wohnhaften angesehenen Patrizierfamilie benannt worden ist, die sich nach ihrem Wohnort de Capella nannte und in dem heutigen Waldkappel und in Hartmutsachsen ausgedehnte Güter besaß.”
Kaplangasse
Kettengäßchen: Heute ist das Kettengäßchen eine Verbindungsgasse zwischen Hanfsack und Breitenstraße, jeweils mit einer Kette in der Höhe gegen den Hanfsack und die Breitenstraße abgeschlossen. Diese Ketten wurden wohl in Erinnerung an die erste (ältere) Stadtmauer angebracht. (Siehe auch "Hanfsack" und "Neumarkt") So schreibt Holger Th. Gräf im Textheft „Bad Hersfeld“ zum Hessischen Städteatlas: „Die Grenze zwischen dem mutmaßlich bis 1170 ummauerten Bereich und der noch vor 1200 daran anschließenden Erweiterung entlang der Breitenstraße dürfte das Kettengäßchen markieren. In dessen Fluchtlinie lässt sich der weitere Verlauf entlang der Parzellengrenzen nach Südwesten bis zur Klostermauer im Bereich des späteren Hospitals verfolgen. Leichte Knicke im Verlauf von Wallengasse, Webergasse und Johannisgasse sowie vorspringende Gebäude aus der jeweiligen Straßenflucht, besonders deutlich Am Bringg/Johannisgasse, unterstützen diese Erklärung." (a. a. O. S. 41) (Siehe auch Karte bei "Hanfsack".) In einer Fußnote dazu schreibt Gräf: „Diesen Straßennamen kann man allerdings nicht in einen wie auch immer gearteten Zusammenhang mit Verteidigungsanlagen bringen, da er erst im 17. und 18. Jh. auftaucht; SCHOOF, Straßennamen S. 61.“
In der Stadtordnung von 1568 wird die heutige Kettengasse „hellwigs gasse“ genannt, die „vonn bastian Reinen hauß In der breittengasse“ geht. In der Stadtordnung von 1665 heißt sie „Heltwigsgaß“, die „von Bastian Reiner Hauß in die Breitengaß“ geht. Aus dem Jahre 1723 berichtet Louis Demme: „Cyll Grau und Frau verkauften Georg Sander eine Scheuer hinter ihrem Hause auf dem Hanfsack, auf die Helwigsgasse stoßend“. (Demme, Band 2, S. 108) Damit hatte das Kettengäßchen zunächst seinen Namen nach dem Besitzer eines Hauses in dieser Gasse oder einer Ecke an dieser Gasse erhalten, wie dies wohl auch im Falle der Kaplansgasse und der Wallengasse gewesen ist. (Siehe auch Kaplansgasse und Wallengasse)
Kettengassen gibt es auch in anderen Städten, so u. a. in Breisach (Rhein), Heidelberg, Köln, Kassel, Mühlhausen (Thüringen) und in Würzburg. Über die Würzburger Kettengasse heißt es bei Wikipedia: „Memminger leitet den Namen vom Haus Zur Kette ab. Es gibt daneben unbelegte Vermutungen, er würde sich aus der Zugkette eines Brunnens ableiten, der sich am südlichen Ende der Gasse befunden habe; oder von den Gassenketten, mit denen im Mittelalter die Nachtruhe durchgesetzt wurde. Die Kettengasse wurde aber nicht durch eine Kette sondern ein Drehkreuz von der Hofstraße her abgesperrt. (https://wuerzburgwiki.de/wiki/Kettengasse)“ Ob entsprechendes auch für die Hersfelder Kettengasse vorliegt, ist allerdings nicht belegt.
Das Kettengäßchen vom Hanfsack aus gesehen
Kettengäßchen von der Breitenstraße aus gesehen
Kirchplatz: Der Kirchplatz ist der Platz vor der Kirche.Vor der Kirche war früher ein Friedhof.
Stadtkirche
Kirchplatz
"Stadtkirchnerhaus" am Kirchplatz 5 aus dem Jahre 1452. Ursprünglich als Pfarrhaus errichtet diente es seit 1741 als Wohnhaus des Küsters.
Klausstraße: Straße zum ehemaligen Klaustor hin. Von dort führte ein Weg zur Kirche des hlg. Nikolaus. Sie lag vor dem östlichen Tor etwa in der Gegend des heutigen Bahnhofs. Sie war wahrscheinlich die Kirche der Siechen (Kranken), die im Siechenhaus nordöstlich vor dem Peterstor lebten. Die Gemarkungsbezeichnung „Am Siechen" weist noch heute darauf hin. Das Siechenhaus nahm jene unglücklichen Menschen auf, die von dem damals stark verbreiteten Aussatz, der Lepra, befallen waren. Diese von den übrigen Menschen der Stadt ausgestoßenen armen Geschöpfe mussten mit einem Horn oder einer Klapper jeden warnen, der sich näherte. Sie fanden im Siechenhaus Unterkunft. Bald gab es auch wohltätige Stiftungen für diese Siechen. Barmherzige Menschen stellten den Ausgestoßenen mit Speisen gefüllte Töpfe an die Grenze des Siechenbezirks und holten die geleerten dort wieder ab. Die Klauskirche war vielleicht schon um das Jahr 1200 erbaut und um das Jahr 1600 bereits im Verfall befindlich. (Siehe auch "Johannestor")
Klausstraße früher
Klausstraße heute
Fachwerkhaus aus dem Jahre 1699 in der Klausstraße
Untere Klausstraße früher
Klausstraße früher mit Blick zum Rathaus
Klaustor: Stadttor zur ehemaligen Klauskirche hin. (Siehe auch "Klausstraße" und "Johannestor")
Klausturm
L´ Hay-les Roses-Platz: Westlich vom Lingg-Platz im Übergangsbereich zum Marktplatz befindet sich der L´ Hay-les Roses-Platz. Er ist benannt nach der Partnerstadt Bad Hersfelds L´Hay-les Roses bei Paris. In früheren Zeiten befanden sich hier die Fischbänke (1371). (Vergl.: Katasterkarte 1847/49, Hessischer Städteatlas I,2 des Hessischen Landesamtes für geschichtliche Landeskunde , Marburg) (Vergl.: Katasterkarte unter dem Stichwort "Hanfsack") Heute möchten wir uns an die Düfte der Rosen aus dem Rosengarten von L´ Hay-les Roses erinnern.
Linggplatz: "Der 5600 m² große Linggplatz schließt sich dem Marktplatz nach Süden hin an und wird von diesem nur durch die so genannte „Insel“ getrennt. Die „Insel“ bildet eine Häusergruppe, deren nordwestliche Front sich dem Marktplatz zuwendet, und die Gegenseite zum Linggplatz. ....... Man vermutet, dass sich hier der alte Gerichtsplatz der Abtei befunden hat. Ein Doppelkreuz, direkt neben dem Linggdenkmal, das nach alten Kupferstichen schon im 16. Jahrhundert hier stand, war vermutlich ein Grenzzeichen der Abtei und zeigte an, dass ab dieser Stelle der Immunitätsbezirk der Abtei begann." (vergl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Stra%C3%9Fen_und_Pl%C3%A4tzen_in_Bad_Hersfeld) Der Linggplatz ist als zentraler Platz am oberen Ende der Weinstraße vor dem Marktplatz gelegen. Er wurde nach dem Retter Hersfelds, dem badischen Oberstleutnant Johann Babtist Lingg, benannt. Nach der Schlacht bei Jena und Auerstädt rückten am Tage vor Weihnachten 1806 eine Kompanie des 1. leichten italienischen Infanterieregiments, die auf französischer Seite kämpften, in Hersfeld ein. Sie sollten am anderen Morgen nach Kassel weitermarschieren. Die Soldaten, 160 Mann, wurden bei den Bürgern einquartiert, mit denen sie sich allerdings nur mit Gebärdensprache verständigen konnten. Ein Sergeantmajor geriet mit seinem Wirt, dem Tuchbereiter Georg Adam Pforr in der Wallengasse, in Streit, warf ihm das vorgesetzte Essen vor die Füße, fluchte, schimpfte und griff schließlich nach seinem Degen. Nachbarn kamen dem bedrohten Pforr zu Hilfe und auch die Soldaten sprangen ihrem Kameraden bei. So kam es bald zu einer wüsten Schlägerei zwischen den Italienern und den Hersfeldern, in deren Folge die Italiener verprügelt und entwaffnet wurden. Ein Italiener wurde sogar erschossen. Dafür sollten die Hersfelder am 20. Februar 1807 bestraft werden. Hersfeld sollte auf Befehl Napoleons geplündert und an allen vier Ecken und in der Mitte angezündet werden. Die Vollstreckung dieser Strafe wurde Oberstleutnant Lingg und seinen zwei Kompanien badischer Jäger übertragen. Lingg bewahrte die Stadt jedoch vor Plünderung und völliger Vernichtung, indem er Napoleons Befehl nur dem Wortlaut nach, aber nicht dem Sinne nach ausführte. Lingg wude später für seine humane Haltung von den hessischen Kurfürsten Wilhelm I. und Wilhelm II. mit dem Großkreuz des hessischen Löwenordens ausgezeichnet und geadelt. (Lingg von Linggenfeld) Der Platz ist seit 1857 nach Johann Baptist Lingg von Linggenfeld benannt. Sein Denkmal steht an der westlichen Seite des Platzes, nahe am Zugang zum Stiftsbezirk.
Auf der Katasterkarte 1847/49 (Hessischer Städteatlas I,2 des Hessischen Landesamtes für geschichtliche Landeskunde , Marburg) (Vergl.: Katasterkarte unter dem Stichwort "Hanfsack") ist der Lingplatz namentlich noch nicht ausgewiesen. Die Karte zeigt die Siedlungsentwicklung vom Mittelalter bis 1847/49. Der heutige Linggplatz ist offensichtlich Teil des Marktplatzes gewesen, der damals nur durch die Inselbebauung bestehend aus Spritzenhaus, Hauptwache und Stadtwirtshaus von diesem abgetrennt war. Heute stehen auf der "Insel" natürlich Gebäude aus neuerer Zeit.
Johann Babtist Lingg von Linggenfeld, der Retter Hersfelds, die Brandfackel austretend als überlebensgroße Bronzefigur. Das Denkmal wurde am 08. 11. 1896 eingeweiht und war durch Spenden finanziert worden. Es trägt auf der Rückseite des ca, 2,5 m hohen Granitsockels die Inschrift:
"Die dankbare Stadt Hersfeld ihrem Erretter 1807 - 1896".
Linggplatz von Nordosten
Linggplatz im Jahre 1876
Linggplatz etwas später
Linggplatz heute, Westseite
Kirchtor früher
Linggplatz früher
Linggplatz früher, Ostseite
Linggplatz heute, Ostseite
Löhrgasse: Diese Gasse wird seit dem Jahre 1365 so genannt und erinnert an die seit dem 13. Jahrhundert dort ansässigen Löher, die Gerber, welche mit Gerberlohe das Leder gerbten. Lohe war (meistens) gemahlene Eichenrinde. Die Löhrgasse ist das Straßenstück zwischen der Straßen `An der Obergeis´ und `An der Untergeis´.
Lohmühle
Marktplatz: Das, was heute Marktplatz heißt, hieß früher allerdings "Ebenheit". Fest steht, dass "Ebenheit" nicht von dem Wort "Ebene" abzuleiten ist. „Unter der scheinbar glatten Hülle (der"Ebenheit", Anmerkung des Verfassers) verbirgt sich ein Wortstamm, der auf altdeutsch "almeinde" ("Gemeinbesitz") zurückgeht. So wurde das Wort dem Volk unverständlich und von ihm über die Jahre geändert in " Elm´nde" und " Em´nde", woraus in der Mundart "Emnet" bzw. " Ebnet" wurde. Daraus ergab sich die entstellte Form Ebenheit.( "Heit" - " Haupt) Die eigentliche Bedeutung des Wortes erlosch im 16. und 17. Jhd. Als schließlich der Neue Markt nicht mehr dem ständig wachsendem Marktverkehr genügte, wurde der Platz vor dem Stift, die sog. Ebenheit, seit 16 Jh. zum Markt bestimmt. Für die Entstehung des Platzes gibt es mehrere Annahmen: 1. An dieser Stelle lag ein „Curtis“ ein fränkischer Königshof, auf dessen Fläche das Kloster gegründet wurde. Die Bürger bauten ihre Siedlung außerhalb dieses Königshofes. 2. Die Bürger bauten ihre Siedlung aus Respekt vor dem Kloster in einer gewissen Entfernung. Die Freifläche bildete die Domfreiheit, wie man sie auch in anderen Städten findet. 3. An der Stelle des heutigen Marktplatzes gab es zu Zeiten der Ungarneinfälle eine Umfriedung zum Schutz der Bevölkerung der Umgebung. Die sich an den ummauerten Stiftsbezik anschließenden Befestigungslinien könnten sich parallel zu den Häuserfronten am heutigen Marktplatz befunden haben. (Siehe auch "Burggasse" und "Am Markt") Seit dem 17. Jhd. wurde dann "Ebenheit" durch die neue Bezeichnung "Markt" ersetzt.
Mistegasse: Die Mistegasse befindet sich zwischen Hospitalgasse und der Johannesstraße. Sie ist auf den meisten Stadtplänen gar nicht erwähnt und nur selten eingezeichnet. Über diese Gasse erreicht man die Rückseiten der Häuser, deren Vorderseiten entweder der Hospitalgasse oder der Johannesstraße zugewandt sind. Sie hat ihren wenig schmeichelhaften Namen daher, dass über sie der „Mist“, also der Stalldünger, abgefahren wurde und stammt aus der Zeit, als Hersfeld noch eher landwirtschaftlich-kleinbäuerlich geprägt war.
Mistegasse früher
Mistegasse heute vom Brink her gesehen.
Neumarkt: Der ursprüngliche (Wochen-)Markt lag vermutlich auf dem Rathausvorplatz und in den umliegenden Gassen. (Siehe auch "Unter den Hütten") Durch das Anwachsen der Stadt wurde es nötig, einen größeren Mauerring zu ziehen, nämlich denjenigen, den wir heute noch im Stadtbild erkennen können. Er wurde um das Jahr 1230 begonnen und in der Mitte des 14. Jahrhunderts fertiggestellt. Im Rahmen dieser Stadterweiterung wurde auch der Markt auf den "Neumarkt" verlegt. (Siehe auch Karte "Siedlungsentwicklung vom Mittelalter bis 1847/49" bei "Hanfsack".) Er lag zwischen dem Hanfsack und dem Minoritenkloster, wo sich heute die Konrad-Duden-Schule befindet. Der heutige Marktplatz allerdings hieß ursprünglich "Die Ebenheit" und stellt die Restfläche dar, die zwischen den beiden Siedlungen des Stifts und der Marktsiedlung (der sich entwickelnden Stadt) lag. (Siehe auch "Marktplatz" und "Burggasse")
Neumarkt
"Alte Klosterschule", heute "Konrad-Duden-Schule" am Neumarkt 33 (Altbau). Das nach der Reformation leer stehende ehemalige Franziskanerkloster beherbergte seit 1570 die von Abt Michael gegründete Klosterschule: der heutige "historische" Altbau. Am 01. Juli 1909 erfolgte die Einweihung des Erweiterungsbaues des nunmehr "Königlichen Gymnasiums - Die "Alte Klosterschule" an der westlichen Grundstücksgrenze entlang der Rosengasse zum Neumarkt hin: der heutige Altbau der Konrad-Duden-Schule. Von 1876 bis1905 war Dr. Konrad Duden (1829-1911), der "Vater der deutschen Rechtschreibung", Direktor des königlich-preußischen Gymnasiums.
Neben der "Alten Klosterschule" gab es in der Straße "Neumarkt" noch eine weitere Schule, die "Luisenschule" am Neumarkt 11. Nach den Plänen von Leonhard Müller, Landbaumeister in Hersfeld von 1827 bis 1851, wurde das 1829 begonnene und 1836 eingeweihte klassizistische Schulgebäude der Bürgerschule am Neumarkt 11 errichtet, das lange Zeit als das schönste Schulgebäude Hessens galt. Während man sonst in der Stadt noch in Fachwerk baute, war dies das erste Gebäude, das ganz aus gebrannten Ziegelsteinen errichtet wurde. Im Jahre 1910 wurde die Schule anlässlich des hundertsten Todestages von Königin Luise in „Luisenschule“ umbenannt. Nach dem Umzug der Bürgerschule in die „Nordschule“ (Vitalisstraße 9) befand sich in dem Gebäude das Lyzeum, ein Mädchengymnasium.
Luisenschule
Obere Frauenstraße: Straße vom Marktplatz zum ehemaligen Frauentor hin. (Siehe auch Am Frauenberg, Klausstraße und Johannestor)
Obere Frauenstraße
Frauentor; rechts hinten das ehemalige Torwärterhaus (kleines Haus mit Sandsteinsockel)
Pfeifergasse: Die Pfeifergasse ist eine kleine Gasse zwischen Enge Gasse-Unter den Hütten-Hanfsack einerseits und der Wallengasse andererseits. In ihr wohnten sicherlich die Stadtpfeifer. So heißt es über die Pfeifergasse in Salzburg etwa: „ …. Die Pfeifergasse war die Gasse der Spielleute und Berufsmusiker. Unter Pfeifern waren nämlich Musiker (Spielleute) im Allgemeinen und Holzblasinstrumentespieler im Städtischen Dienst im Besonderen zu verstehen. Die Aufsicht über die Pfeifer hatte ein `Spielgraf´, ein Amt, das in Salzburg zuerst im Jahre 1488 urkundlich erwähnt ist. ……“ (Quelle: Wikipedia)
Pfeifergasse
Peterstor: Ein weiteres altes Stadttor war das Peterstor. Es befand sich am Eingang der Breitenstraße zwischen der ehemaligen Gaststätte „Eckchen“ und der Bismarck-Straße.
Am ehemaligen Peterstor mit Blick auf die Breitenstrasse.
Ehemaliger Bahnübergang am Peterstor.
Ransen: Der "Ransen" ist Verbindungsweg zwischen "Am Rainchen" und "Vorderer Steingraben". Die Benennung „Am Ransen“ findet sich ebenso wie Sack und Tasche (wofür auch Liere = Jagdtasche vorkommt) öfters als Flurname wie als Straßenbezeichnung. (Siehe auch Am Perfort, Uffhäuser Straße)
Ransen
Rennhöfchen: Aufgrund des Bedarfes an Wasser für ihr Gewerbe siedelten die flämischen Tuchmacher in Hersfeld nach der Geis hin. Dort erinnert noch der Straßennamen “Rennhöfchen”, einer Nebengasse zur "Unteren Frauenstraße", an den “Rahmhof” (Rahmenhof), das Zunfthaus der Tuchmacher, und den Platz für die Tuchrahmen. Wilhelm Neuhaus schreibt (S. 242): „Sie standen rechtwinklig zur Stadtmauer nach der Sonnenlinie gerichtet, und zwischen zwei Rahmen ließ man eine Sattel frei, damit Wind und Sonne recht heran konnten. Es war keine leichte Arbeit, die gewalkten nassen Tuche an ihnen einzuspannen (einzuklavieren) , und es mußte schon ganz außerordentlich günstiges Wetter sein, wenn sie an einem Tag trocken wurden. Deshalb stand bei jedem Rahmengarten ein Häuschen, in dem der Wärter des Nachts mit seinen Hunden wachte, um etwaigen Dieben das Handwerk zu legen. …… Durch einen Straßennamen - „Rennhöfchen“ beim Frauentor - ist uns die Lage eines Rahmenplatzes noch heute bekannt.“ (Siehe auch "Vlämenweg", der allerdings außerhalb des Stadtmauerrings liegt.) Die Tuchmacher gehörten zu den bedeutendsten Handwerkszünften in Hersfeld.
Rennhöfchen
Rittergasse: Die "Rittergasse" verbindet die "Klausstraße" mit der Straße „An der Obergeis“. Hier standen vermutlich steinerne Häuser von ritterbürtigen Herren, die als Ministerialen der Abtei in der Stadt lebten. Eines dieser Häuser ist erhalten geblieben. Es wird heute noch die Kemenate genannt und ist noch weitgehend unverändert erhalten. "Die frühe „burgenkundliche“ Literatur des 19. Jahrhunderts sah in der Kemenate einen mittels Kamin oder Kachelofen beheizbaren Wohn-und Arbeitsraum in einer Burg . (Althochdeutsch = cheminâta. Begriffsverwandtschaft mit frz. cheminée, engl. chimney). Allerdings steht der Terminus Burg in diesem Zusammenhang, dem Minnesang und den damaligen Vorstellungen einer Burg entsprechend, eher für ein Idealbild. Die Kemenate wäre demnach - falls sie den einzigen beheizbaren Raum darstellte - vornehmlich Frauen, Rittern und Adligen vorbehalten. ......." (Wikipedia) Das Gebäude wird auf das 11. oder 12. Jahrhundert datiert und ist damit das älteste weltliche Gebäude in der Stadt. Es steht als Hinterhaus der Klausstraße 34 gewissermaßen in der zweiten Reihe bezogen sowohl auf die "Klausstraße" wie auch auf die "Rittergasse".
Rittergasse
Kemenate
Rosengasse: Diese Gasse führt längs der alten Stadtmauer. Dort lebten häufig Leute mit verrufenen Berufen wie z. B. Henker, Schinder (Abdecker), Huren u.s.w. oder Leute, die nicht reich waren. So diente diese Gasse als auch Wohnort für Menschen der unteren sozialen Schicht. Da die Gasse sehr verrufen war und man nicht in einer Henker-, Schinder- oder Hurengasse wohnen wollte, wurde sie in Rosengasse umgetauft. Ähnliche Umbenennungen finden sich auch in anderen Städten.
Rosengasse von der Hainstraße aus; sie liegt hinter der Stadtmauer, von der ein Rest noch rechts hinter den Bäumen zu erkennen ist.
Rosmariengasse: Bennennung ähnlich "Rosengasse". (Siehe auch "Rosengasse") Die Rosmariengasse ist eine kurze Nebengasse zur Breitenstraße und liegt dort, wo früher einmal das Peterstor war. Heute entspricht sie der Auffahrt zum Parkhaus über dem ehemaligen Herkules-Markt.
Rosmariengasse
Schlippental: Man sagt häufig, die Straße macht eine große Schleife, d. h. sie macht einen Bogen oder einen Umweg. So bezeichnet „Schlippental“ wohl eine Talkrümmung.
Südtor: Auf dem im Januar des Jahres 775 Quierzy abgehaltenen Reichstag nahm der König das Kloster in seinen und seiner Nachkommen Schutz und gab ihm außergewöhnliche Vorrechte. So erhielt es z.B. das Recht der freien Abtswahl durch die Mönche und die Befreiung von jeder bischöflichen und gräflichen Gewalt. Dadurch wurde die Abtei dem König unmittelbar unterstellt und die spätere Stellung des Abtes als Reichsfürst angebahnt. Das Kloster bekam zahlreiche Schenkungen wie Landbesitz, Ortschaften, Zehntabgaben, Kirchen u.s.w. Das bewies Karls Gunst. Das Kloster hatte in karolingischer Zeit bereits rund 60.000 Morgen Land in Besitz der sich auf 132 Orte verteilte. Davon lagen 93 Orte mit ¾ des gesamten Grundbesitzes in Thüringen und zwar größere Gebiete bei Gotha und an der Unstrut. In jüngerer Zeit hat man das Südtor im Stiftsbezirk ausgegraben, restauriert und in den heutigen Zustand versetzt. Nach ihm wurde der davor liegende Platz genannt.
Südtor
Uffhäuser Straße: Zwei von dem Marktplatz nach der Stadtmauer blind zulaufende Gassen hießen früher das „Vordere“ und das „Hintere Lierloch“. Diese alten Straßen wurden später umbenannt und heißen heute Uffhäuser Straße und Burggasse. Die Benennung „Liere“, was eigentlich Jagdtasche bedeutet, bezeichnete Gassen, die ebenso sowie „Ransen/Ranzen“ und „Sack“ ohne eine zweite Öffnung stumpf auf die Stadtmauer zuliefen. Bei Karl Friedrich Wegener in seinem Buch „Raritäten“ (in „Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde Kassel 1834) lesen wir unter dem Bgriff „garge“ (fem. Tasche) auf Seite 66: „Dieses dunkle Wort scheint außerhalb Oberhessens nirgends vorzukommen, ganz wie das der Bedeutung nach ähnliche Liere (lederne Jagdtagdtasche, Ranzen) auch nur in einem kleinen Striche Niederhessens, und sonst nirgends weiter erscheint.“
Im 19. Jhd. durchbrach man an der Stelle des Vorderen Lierlochs - jetzt "Oefhäuser Gaßse" genannt - die Stadtmauer und baute ein so genanntes Chausseetor ein.
Chausseetor
Seine Pfeiler stehen heute im Stift in der Nähe des Katharinenturms.
Pfeiler des alten Chausseetors
Möglicherweise leitet sich der Name Uffhäuser Straße auch davon her, dass Häuser auf der Mauer aufsaßen, wie das ja heute noch am Perfort zu sehen ist. Auf den Karten von Lagis ist zumindest an dieser Stelle der Grundriss eines solchen Hauses, möglicherweise eines Bergfrieds, eines Perforts also, zu sehen. (Siehe auch "Am Perfort" und "Ransen") (vergl.: wikipedia.org, "Liste von Straßen und Plätzen in Bad Hersfeld") Frau Dr. Elisabeth Ziegler schreibt allerdings in einem Beitrag zum „Bad Hersfelder Jahresheft 1972“ folgendes: „Die einzige Wüstung, von der die Hersfelder in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts wussten, war das sagenhafte Uffhausen vor dem Uffhäuser Tor. (Der Durchbruch durch die Stadtmauer ist aber an dieser Stelle leider erst 1867 erfolgt.) Demme (Bd. I, a. a. O., S. 85) lokalisiert diese angebliche Wüstung an die Einmündung des Roten Grabens in das Meisebacher Tal.“ Demme schreibt: „Ein Dorf, welches im Meisebacher Thale, da wo der rothe Graben in dasselbe einmündet, gestanden haben soll, von welchem die Uffhäusergasse ihren Namen hat und welches im 30jährigen Kriege zerstört sein wird.“
Uffhäuser Straße, Blick vom Stadtring her in Richtung Marktplatz
Unter den Hütten: Nebengasse des "alten Marktes" vor dem Rathaus zum Hanfsack hin, wo die Hütten der Metzger (Fleischhütten) standen, in denen sie ihre Fleischwaren auf dem Wochenmakt feilboten. Sie standen ein wenig abseits vom Wochenmarkt, da es bei ihnen sicher nicht immer gut roch und möglicherweise Fliegen umher schwärmten. Bei Louis Demme lesen wir: „Der Priester Ludwig Angersbach verkaufte seine Besitzungen und darunter ein Haus in der Fleischhauergasse an Heinrich Breitenbach.“ Und in der Fußnote dazu heißt es: „ Die Verbindungsstraße vom Hanfsack nach der Klausstraße, welche noch jetzt die Bezeichnung `Unter den Fleischhütten` führt.“ (Demme I, S. 36)
Unter den Hütten
Unter den Hütten
Diese "Fleischhütten" sind noch in einem Stadtplan vom Jahre 1700 eingezeichnet. (siehe auch Neumarkt) Der Kunsthistoriker und langjährige Vorsitzende des Kulturbundes Dr. Otto Bramm schreibt in seinem Beitrag über Kulturhistorische Bodenfunde unter dem Neubau der Kreis- und Stadtsparkasse am Rathaus im Bad Hersfelder Jahresheft 1971 (S. 35) folgendes: „Dieser Neubau verlangte eine moderne, drucksichere Kellergeschoßlage. So mußten die an sich vorzüglich erhaltenen, aber sehr weit gespannten Kellergewölbe des Wohn- und Geschäftshauses F. W. Auel, das nach seinen klassizistischen Stilelementen zu Beginn des 19. Jahrhunderts erbaut worden war, weichen. An seiner Stelle standen zuvor am Beginn der Straße „Unter den Hütten“ die „Fleischhütten“ und außerdem nach dem im Stadtarchiv verwahrten Stadtplan vom Anfang des 18. Jahrhunderts ein Haus, das die Ecke zur Klausstraße bildete. Dieses Eckhaus war in konkavem Winkel gebaut und hatte so offensichtlich eine Ecke des alte Rathausplatzes gebildet. In seiner Winkelecke hatte es, laut Stadtplan, eine der nur verkaufstandhohen Fleischhütten aufgenommen, während die anderen Hütten gegenüber in einer Zeile am heutigen Haus Conradi standen.“ Diese Fleischütten wurden unter dem Landbaumeister Leonhard Müller vermutlich Ende der 30ger Jahre des 19. Jahrhunderts zusammen mit Fleischverkaufsständen auf dem Marktplatz abgerissen. (Siehe auch "Neumarkt".)
Ausschnitt aus einem Stadtplan um 1700
Untere Frauenstraße: Sie ist eine Straße vom Kirchplatz zum ehemaligen "Frauentor" hin. (Siehe auch "Am Frauenberg", "Klausstraße" und "Johannestor")
Untere Frauenstraße
Raid´sches Haus in der "Unteren Frauenstraße". Bathasar Raid war der erste eigentliche protestantische Prediger in der Stadtkirche Hersfelds.
Vlämenweg: Wahrscheinlich am Anfang des 13. Jahrhunderts (im Jahre 1264 urkundlich erwähnt) kamen wegen Übervölkerung und allerlei Kriegsnöte vertriebene Tuchweber aus Friesland und Flandern in unsere Stadt, wo sich innerhalb der Stadt vor dem Frauentor eine flämische Kolonie gebildet haben mag. Sie gewannen bald bei ihren Handwerksgenossen so großen Einfluss, dass die Wollweber in den Urkunden kurz die Fleminge (von Flamen) genannt wurden. Zwischen Klaus- und Frauentor mögen sie wohl ihre Stoffe zur Bleiche ausgelegt und ihre Spannrahmen aufgestellt haben. (Siehe auch "Rennhöfchen") An diese Flamen erinnert noch heute der Flurname “Hinter den Flehmen” und eben auch der "Vlämenweg".
Vorderer Steingraben: Siehe „Hinterer Steingraben“.
Vorderer Steingraben früher
Vorderer Steingraben heute
Wallengasse: Sie ist eine kleine Straße zwischen Linggplatz und Neumarkt. Bei dem Namen Wallengasse ist eine Erklärung schwer. Er ist möglicherweise von den Walkern abzuleiten, die das feuchte Wollgewebe zur Verfilzung der Wollhaare durchkneteten. Da sie neben der Webergasse liegt, ist eine solche Deutung nicht unberechtigt. Allerdings lagen die Walkmühlen zwischen Klaus- und Frauentor. (Wilhelm Neuhaus) Neuhaus schreibt: „ …, und in friedlichen Zeiten mochten sie auf Wall und Graben ihre Stoffe zur Bleiche auslegen und ihre Spannrahmen aufstellen. (Siehe auch Rennhöfchen) Wilhelm Schoof ist deshalb auch anderer Meinung. Er schreibt, es sei wahrscheinlicher, dass die Wallengasse nach einem angesehenen Patrizier namens Dominus Lodevicus Walde benannt worden sei. “Ludwig Walde lebte im 14. Jahrhundert in Hersfeld und hatte sein Haus und seine Hofstätte am Neumarkt an der Ecke der Wallengasse durch Testament dem Probst und Konvent zu Kreutzberg (heute Philippstahl) vermacht. Ein anderer Hersfelder Bürger gleichen Namens, Konrad Walde, wohl ein Bruder des Genannten, lebte um die gleiche Zeit als Priester und Vikar am Spital zu St Johannistor. Neben diesen beiden wird ein Ritter, Herr Symon von dem Walde, urkundlich erwähnt. Der Titel Dominus für Ludwig Walde lässt darauf schließen, dass dieser entweder ein Laie in angesehener ritterbürtiger Stellung (Ritter, Schöffe oder Schultheiß) oder ein Geistlicher war, dem dieser Titel zustand. Aus verschiedenen Urkunden von 1301 bis 1367 läßt sich ein Priester und Kapellahn in Hersfeld nachweisen.” Das Haus und die Hofstätte von Ludwig Walde wird noch einmal in einer Urkunde aus dem Jahre 1367 erwähnt. Der Probst und der Convent verkaufen einen Zins von beiden (für “huse und hobistad”) den Klausnern auf dem Frauenberge. Beides sei “Bey noldis Trenen und syner erb gelegen, zu Hersfelde uffe deme nuwemarte, daz uns her Lodewig Walde prister selgis gedechtnissis dar uffe beschit zu eyme ewige testamente, (bei Katharina Nolde und ihren Erben zu Hersfeld auf dem Neumarkt gelegen, das uns Herr Ludwig Walde, Priester seligen Angedenkens, darauf zu einem ewigen Testament beschieden,) den geistlichen kindern den Clusneren (Klausnerinnen) uffe unsir frowenberge bey Hersfelde daz yn (ihnen) und der wisen (weisen) gottliche frume lude (göttlich fromme Leute) zu Hersfelde gekufft habin yn und yren eldern zu eime ewigen troste, des wir, und unse Conent gentzlich und nutzlich bezalet sint, und reden das selbe gelt, das uns hirume (hierum) worden ist, wider by uns zu wenden an gulde adir (oder) an erbe Hern Lodewige Walden zu selgerete (zur Seelenmesse) an geverde (ohne Gefahr).“ (Louis Demme, erster Band, Beilage 29, S. 127-128)
Wallengasse
Webergasse: Der Name "Webergasse" erklärt sich von selbst. In dieser Gasse wohnten und arbeiteten Weber. Sie ist ebenfalls eine kleine Straße zwischen "Linggplatz" und "Neumarkt". Am 24.Dez.1806, nur 45 Jahre nach dem Siebenjährigen Krieg und der Zerstörung der Stiftkirche sind erneut franz. Besatzungstruppen in Hersfeld. Da gab es einen Aufruhr Hersfelder Bürger, nachdem ein Sergeantmajor mit seinem Wirt, dem Tuchbereiter Adam Pforr in der Wallengasse, in Streit geraten war; er hatte ihm das vorgesetzte Mittagessen unter den Tisch geworfen, geschimpft und seinen Degen gezogen; Pforr ruft um Hilfe, und während sich die Bürger zusammenrotten, fällt ein Schuß; einer der italienischen Soldaten, die zu den Truppen Napoleons gehören, wird tödlich getroffen; der Hauptmann der Italiener wird zu Boden gerissen, ein Weib schlägt ihm mit einem Knüppel ein paar Zähne aus; die Italiener werden entwaffnet und versuchen zu fliehen, werden aber von den Kalkobesern aufgehalten und von den Hersfeldern im Triumph zurückgeholt. Das Eckhaus in der Webergasse, aus dem der verhängnisvolle Schuß gefallen war, wurde unter den Klängen von Militärmusik dem Erdboden gleichgemacht. Aber das Weitere ist dann wieder eine andere Geschichte. (Siehe "Linggplatz") Heute steht dort das Haus der ehemaligen Bäckerei Jäger, jetzt Bäckerei Brandau.
Webergasse
Weinstraße:Die heutige "Weinstraße" hieß eigentlich “Schusterstraße”. Doch nach der Verlegung des Marktes vom Rathausplatz auf den Neumarkt und der Vergrößerung der Stadt wohnten die Schuster sicher nicht mehr nur in der Schustergasse, sondern auch in anderen Teilen der Stadt. Deshalb verlor dieser Name an Bedeutung. Die Schustergasse wurde im 16. Jhd. in “Weingasse” umgetauft. In der Stadtrechnung von 1618 heißt es: „4 Alb. Vier frondiener geben, haben in d Weingassen am Wasser Lauff helffen Zuwerffen 22. July.“ (Louis Demme, zweiter Band, S. 5) Sie wurde nach dem in der Straße stehenden Weinhaus, benannt. Im Volksmund heißt sie heute noch Winggaß, wodurch bestätigt wird, dass die Herleitung aus Wagen-(Wayn)Straße nicht in Frage kommt. Die eigentliche Wagenstraße war vielmehr die Breitenstraße.
Weinstraße vom Rathaus aus gesehen
Obere Weinstraße früher, Blick zum Linggplatz
Weinstraße vom Linggplatz aus gesehen, früher
Weinstraße vom Linggplatz aus gesehen, heute
Straßen, die auf historisch bedeutsame Ereignisse hinweisen:
Am Heyrings: Im Jahre 1003 schenkte Kaiser Heinrich II. der Reichsabtei Hersfeld den Heuringswald. Mit dieser Schenkung erhielt der prachtliebende Abt Bernhard, der auch etwa ab dem Jahre 1001 den Petersberg erbaute, ein Gebiet, dessen Grenze von Westen kommend bei Braach an die Fulda stieß, auf der linken Flussseite nach Süden bis zum "solium Gumberti" (die Einsiedelei des Gumbert) entlang führte, an dessen Stelle das heutige Blankenheim liegt, von dort dann über die Fulda nach Osten sprang, die Wüstungen "Ukevordi" (gegenüber von Blankenheim) und "inferior Nuuuisazi" (südlich von Ronshausen) berührte, den "Yubach" (Ziehbach? bei Ronshausen) und die "Hirzlaha" (Grabensenkung "Im HörseI") in deren Oberlauf überschritt und dann in das Bachbett der "deserata Herafa" (Taube Herfa) eines linksseitigen Zuflusses der Herfa, gelangte, in dem sie abwärts ging. Franz Carl Theodor Piderit, Pfarrer und dritter Lehrer am Gymnasium zu Bad Hersfeld, das sich übrigens in den Gebäuden der heutigen Konrad-Duden-Schule befand, schreibt in seinem Buch aus dem Jahre 1829 folgendes: "Einen Theil der Ebene, wo jetzt der Eichhof steht, beschattete damals ein Eichenwald, (ein Theil des Heuringswaldes, welcher unter dem Namen Eherinenverst in einer Urkunde von 1070 vorkommt) von welchem wir die letzten Reste, einzelne, mächtige Eichbäume, welche hin und wieder an der Straße dem Wanderer ein Ruheplätzchen verschafften, in unseren Tagen fällen sahen." Somit ergibt sich, dass sich hinter dem Straßennamen “Am Heyrings” heute noch die Erinnerung an den Namen eines uralten, ehemals großen Waldgebietes unserer Heimat verbirgt. Diese kleine Straße liegt am Südausgang der Kernstadt zum Eichhof hin neben der B62.
Am Heyrings
Gerwigstraße: Unter Abt Albrecht von Buchenau.(1418-1438) gab es erneut Streit (siehe auch Simon-Haune-Straße) zwischen Stift und Stadt. Er hatte den an Fähigkeit und Reichtum gleich ausgezeichneten Hermann Gerwig als Schultheißen eingesetzt. Dieser verfolgte die „hessische Politik“. Er war es wohl, dem die Stadt ein Bündnis mit Landgraf Hermann zu verdanken hatte. Abt Albrecht war jedoch der Gedanke, den Bürgern gegenüber nur die Scheinfigur eines Fürsten darzustellen, unerträglich. Er ließ Gerwig verhaften. Er soll ihn im Kerker des Eichhofes haben verhungern lassen. Die nach Gerwig benannte Straße führt von der Simon-Haune-Straße zum Kurpark.
Gerwigstraße
Lullusstraße: Nach Bonifatius’ Tode trat Lull als Bischof von Mainz sein Erbe an. Er geriet aber bald in Streitigkeiten mit Sturm, dem Abte von Fulda. Im Jahre 769 gründete Lull das Kloster Hersfeld an der Stelle, an der schon vorher Sturmius, wie Lullus ein Schüler des Bonifatius, ein Kirchlein (736) errichtet hatte. Karl d. G. unterstützte Lull tatkräftig bei seinem Vorhaben. Lull hat es verstanden, seine Stiftung zu Reichtum und Ehre zu bringen, insbesondere gelang es ihm, König Karl für sein Kloster dauernd zu interessieren. Auf einem am 5. Januar 775 in Quiercy abgehaltenen Reichstage nahm der König das Kloster in seinen und seiner Nachkommen Schutz und gab ihm außergewöhnliche Vorrechte. Am 16. Oktober 786 starb Lullus und wurde in der Klosterkirche nach seinem Willen beigesetzt. Nach ihm wurde die Lullusstraße benannt. Sie verbindet die Wigbert- und die Wittastraße.
Lullusstraße
Simon-Haune-Straße: Die Stadt Hersfeld weigerte sich oftmals, ihrem Landesherren die von diesem geforderten Steuern zu zahlen, so dass Abt Berthold von Völkershausen im Jahre 1371 das Reichshofgericht anrufen musste. (Siehe auch „Sternerstraße“) Die Burgmannen und die Knechte des Abtes sollten zusammen mit den Sternerrittern aus der Nachbarschaft wie Eberhand von Buchenau, Simon von Haune, zwei Herren von der Tann und anderen (Siehe auch „Sternerstraße“) in der Nacht vom 27. auf den 28. April 1378 die Stadt erstürmen. Die Vorbereitungen wurden in aller Heimlichkeit getroffen. Doch Simon von Haune konnte das mit seiner ritterlichen Ehre nicht vereinbaren und kündete durch einen Brief, den er am Peterstor abgeben ließ, der Stadt die Fehde an. Daurch waren die Hersfelder Bürger rechtzeitig gewarnt und konnten den Angriff der Sterner-Ritter abwehren. Nach Simon von Haune wurde das Straßenstück zwischen Gerwigstraße und Meisebacher Straße benannt.
Simon-Haune-Straße
Sternerstraße: Wegen des verstreuten Besitzes des Klosters hatten die Äbte oft Streit mit den Herren der Nachbarschaft. Fehden, die viel Geld kosteten, wurden ausgetragen und nicht immer gewonnen. Die Äbte machten deshalb Schulden. Rechte gingen verloren. Die Stadt Hersfeld weigerte sich oft, die von ihr geforderten Steuern zu zahlen, so dass Abt Berthold von Völkerhausen im Jahre 1371 das Reichshofgericht anrufen musste. Nachdem auch die Kaisermacht im deutschen Reiche immer mehr zerfallen war, versuchten einige größere Fürsten im Reiche, ihre Macht zu Lasten der kleineren Herrschaften auszudehnen. Diese schlossen sich in unser Gegend unter der Führung des Grafen von Ziegenhain zum Sternerbund zusammen. Er führte in seinem Wappen einen Stern. Nach diesem Stern benannte sich der Sternerbund. Zu ihm gehörte auch der damalige Abt von Hersfeld, Abt Berthold von Völkerhausen. Die Sternerstraße beginnt an der Simon-Haune-Straße.
Sternerstraße
Wigbertstraße: Wigbert war ein frommer Freund von Bonifatius. Bonifatius übergab seinem Freund die Missionsschule in Fritzlar. Wigbert starb 728. Im Jahre 780 lässt Lullus die Gebeine des Hlg. Wigbert, des ersten Abts von Fritzlar und Erzieher des Sturmius, von Büraberg bei Fritzlar nach Hersfeld überführen. Das Kloster wird dadurch zum Wallfahrtsort. Die Wigbertstraße beginnt an der Kreuzung mit den Straßen `Am Kurpark, Nachtigallenstraße und Eichhofstraße und führt zur neuen Jugendherberge.
Wigbertstraße
Wittastraße: Witta war ein Wegbegleiter des Bonifatius und wie dieser angesächsischer Herkunft. Nachdem Bonifatius das neue Missionsbistum Büraburg gegründet hatte, setzte er Witta als Bischof ein. Nach seinem Tod wurden die Gebeine 760 nach Hersfeld gebracht und in der Sturmiuskapelle beigesetzt. Dadurch wurde Hersfelds Bedeutung als Wallfahrtsort weiter gestärkt. Nach Witta wurde die Straße benannt, die von der Straße `Am Kurpark´beginnend an der Stadthalle vorbeiführt.
Wittastraße
Bildnachweis
„Ansicht von Bad Hersfeld, 1696“, in: Historische Ortsansichten (Stand: 24.11.2008) Ort Bad Hersfeld , Landkreis Hersfeld-Rotenburg; Historisches Ortslexikon ; Künstler: Conrad Schnuphase; Ausführung: Ölgemälde auf Leinwand? , farbig; Aufbewahrung: Museum Bad Hersfeld; Druck: Denkmaltopographie Hersfeld-Rotenburg III , S. 18.
Eigene Bilder
Fotosammlung von Klaus Strippel
Fotosammlung von Erwin Walk
Fotos von Fam. Viering
Literaturhinweise
Bramm, Dr. Otto: Kulturhistorische Bodenfunde unter dem Neubau der Kreis- und Stadtsparkasse am Rathaus, in Bad Hersfelder Jahresheft 1971, S. 35ff
Demme, Louis: Nachrichten und Urkunden zur Chronik von Hersfeld, Erster Band, Betrifft die Zeit bis zu Beginn des 30jährigen Krieges. Mit 122 Beilagen. Hersfeld 1891. Verlag von Hans Schmidt
Demme, Louis: Nachrichten und Urkunden zur Chronik von Hersfeld, Zweiter Band, Betrifft die Zeit von Beginn des 30jährigen Krieges bis zu Beginn des 7jährigen Krieges. Mit 82 Beilagen. Hersfeld 1893. Verlag von Hans Schmidt
Demme, Louis: Nachrichten und Urkunden zur Chronik von Hersfeld, Dritter Band, Betrifft die Zeit bis zu Beginn des 7jährigen Krieges bis einige Jahre nach der westfälischen Zeit. Mit 77 Beilagen. Hersfeld 1900. Verlag von A. Webert
Der Große Brockhaus, sechzehnte, völlig neubearbeitete Auflage in zwölf Bänden, F. A. Brockhaus Wiesbaden 1957
Hersfelder Geschichtsblätter, Band 5/2011, Hoehl-Druck, Bad Hersfeld, Herausgeber Hersfelder Geschichtsverein e.V.
Hessischer Städteatlas, Lieferung I,2, Bad Hersfeld, Textheft, Herausgeberin: Ursula Braasch-Schwersmann, Bearbeiter Holger Th. Gräf, Kartographie: Anna Schulze, Peter Zientkiewicz, Marburg 2007, Hessisches Landesamt für geschichtliche Landeskunde, Druck: Hessisches Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation, Wiesbaden und VDS Verlagsdruckerei Schmidt, Neustadt an der Aisch. ISBN 978-3-87707-649-1
Hörle, Josef: Der Stadtplan erzählt Hersfelds Frühgeschichte, in: Die Stiftsruine, 28. Jg./1938, S. 44 ff (zitiert nach Kulturdenkmäler in Hessen, Landkreis Hersfeld-Rotenburg III, Stadt Bad Hersfeld)
Kulturdenkmäler in Hessen, Landkreis Hersfeld-Rotenburg III, Stadt Bad Hersfeld, herausgegeben vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Thomas Wiegand
LEBEN UND WUNDERTATEN DES HEILIGEN WIGBERT, Lupus Servatus: Das Leben des heiligen Wigbert - Die Wundertaten des heiligen Wigbert, herausgegeben, eingeleitet, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Michael Fleck, ISBN: 978-3-942225-04-5, Marburg 2010
Lipphardt, Konrad: Beiträge zur Geschichte Bad Hersfeld und Umgebung, Stationen und Wegmarken, LIBRI-books on demand, ISBN 3-8311-0555-3
Mein Heimatland, Zeitschrift für Geschichts-, Volks- und Heimatkunde, Beilage zur Hersfelder Zeitung und zum Hessischen Boten Nr. 6, 1923/4 und 7, 1925: Schoof, Wilhelm, Die Straßennamen Hersfelds
Mein Heimatland, Zeitschrift für Geschichts-, Volks- und Heimatkunde, Beilage zur Hersfelder Zeitung und zum Hessischen Boten, Nr. 14, 6. Bd., 1924
Mein Heimatland, Zeitschrift für Geschichts-, Volks- und Heimatkunde, Beilage zur Hersfelder Zeitung und zum Hessischen Boten, Nr. 1, 7. Bd., 1925
Neuhaus, Wilhelm: Geschichte von Hersfeld, Von den Anfängen bis zur Gegenwart, 2. Auflage, Hans Ott-Verlag , Bad Hersfeld
Piderit, Franz Carl Theodor: Denkwürdigkeiten von Hersfeld, Hersfeld 1829, im Industrie-Comptoir
Schoof, Wilhelm: Straßennamen als Geschichtsquelle, mit besonderer Berücksichtigung der Hersfelder Straßennamen, in: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde, herausgegeben von Robert Friderici, 1953 Band 64, Bärenreiter-Verlag Kassel und Basel, S. 18-28
Wegener, Karl Friedrich: Raritäten in „Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde Kassel 1834
Wikipedia online-Lexikon
Ziegler, Dr. Elisabeth: Das Territorium der Reichsabtei Hersfeld, Schriften für Landeskunde von Hessen und Nassau in Verbindung mit Marburger Fachgenossen herausgegeben von EDMUND STENGEL, 7. Stück, N.G. Elwert´sche Buchhandlung (Kommissionsverlag), Marburg 1939
Ziegler, Dr. Elisabeth: Neue Hersfelder Wohngebiete auf dem Boden ehemaliger Ortschaften, in: Bad Hersfelder Jahreshefte 1972
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